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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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so.

    Auf der anderen Seite des Zimmers blinkte der Anrufbeantworter weiterhin. Geh weg, geh weg, warum quälst du mich so? Ich wünschte, ich könnte die Nachrichten löschen, ohne sie erst anhören zu müssen, aber das funktioniert nicht, also drückte ich auf Play und hastete ins Bad, hörte aber noch: »Anna, ich bin’s, Leon. Ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber für mich ist es auch schwer. Ich muss dich sehen …«
    Um seine Stimme zu übertönen, drehte ich die Wasserhähne so weit auf, dass das Wasser mit großer Macht herausspritzte und die Vorderseite meines Kleides sofort durchnässt war. Ich machte einen Schritt zurück und zählte bis dreiundzwanzig, dann drehte ich vorsichtig das Wasser zu, aber als ich Leon hörte, wie er sagte: »… auch für mich schmerzhaft …«, drehte ich die Hähne sofort wieder auf Sturmflut, zählte bis siebeneinhalb, drehte wieder langsam zu, hörte: »… können uns gegenseitig helfen …«, und drehte beide sofort wieder voll auf. Es war, als würde man bei einem Radio den Sender einstellen. Radio Leon.
    Endlich war er alles losgeworden, was er loswerden wollte, und ich schlich mich aus dem Bad und drückte auf Löschen. »Alle Nachrichten gelöscht«, sagte der Anrufbeantworter.
    »Danke«, sagte ich.

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Thema: Mein Oberlippenbart

    Habe Wachs benutzt. Extrem! Abartig! Oberlippe nackt und sanft, das übrige Gesicht ist super-behaart. Sieht aus wie bei diesen Männern, die Bärte tragen, aber keine Schnurrbärte haben. Wie die Buren oder Imame aus Pakistan.
    Piss: Keine weiteren Ratschläge erwünscht.

    Am Samstagabend bekam ich eine »Einladung« von Rachel, zu ihr und Luke zu kommen, die ich nicht ablehnen konnte. Es sei denn, ich wollte mir einen wohlmeinenden Vortrag anhören.
    Der Abend war recht angenehm, bis ich nach etwa zwei Stunden einen Panikanfall hatte, der mir schon schrecklich vertraut war: Ich musste weg.
    Rachel erlaubte mir erst zu gehen, nachdem sie mich genau über meine Pläne für Sonntag ausgefragt hatte, aber ich war sehr gut vorbereitet: Jacqui hatte vorgeschlagen, dass wir zusammen in ein Wellnesscenter gingen. Sie sagte, das würde mir gut tun.
    Und so war es auch. Nur dass die Aromatherapeutin sagte, eine so verspannte Klientin habe sie noch nie gehabt, und die Frau von der Pediküre sich beschwerte, sie könne meine Fußnägel erst dann lackieren, wenn ich aufhörte, so zappelig zu sein.
    Dann war der Sonntagabend da, und ich hatte wieder ein Wochenende überstanden. Doch statt Erleichterung zu spüren, packte mich entsetzliche Verzweiflung. Irgendetwas musste geschehen.

ACHTUNDZWANZIG
    Und dann geschah es. Aidan kam endlich.
    Zweieinhalb Wochen nach meiner Rückkehr aus Irland war ich in der Agentur und saß an meinem Schreibtisch vor dem vierteljährlichen Kostenblatt, als er einfach hereinspazierte. Die Freude, ihn zu sehen, war wie die Wärme der Mittagssonne – ich war berauscht .
    »Wurde aber auch Zeit«, rief ich.
    Er setzte sich auf die Tischkante, und strahlte von einem Ohr zum andern. Er sah erfreut und zugleich scheu aus. »Freust du dich, mich zu sehen?«, fragte er.
    »Gott, Aidan, ich bin unglaublich glücklich! Ich kann es nicht glauben. Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder sehen.« Er trug dieselben Sachen wie damals, als wir uns zum ersten Mal trafen. »Wie hast du es nur geschafft?«
    »Wie meinst du das? Ich bin einfach reinmarschiert.«
    »Aber Aidan«, sagte ich, weil es mir gerade eingefallen war, »du bist doch tot.«
    Ich wachte mit einem Satz auf. Ich lag auf dem Sofa. Die Straßenlampen erfüllten das Zimmer mit einem lila Leuchten, und man hörte Lärm von draußen: das Rufen von Leuten, die wummernden Bässe einer dicken Limousine aus New Jersey, die unter mir vibrierten, bis die Ampel umsprang und der Wagen weiterfuhr.
    Ich schloss die Augen und träumte denselben Traum weiter.
    Aidan lächelte nicht mehr, er war verwirrt, durcheinander, und ich fragte ihn: »Hat dir niemand gesagt, dass du tot bist?«
    »Nein.«
    »Das hatte ich schon befürchtet. Und wo warst du?«
    »Hier und da. Ich habe dich in Irland gesehen und alles.«
    »Wirklich? Warum hast du nichts gesagt?«
    »Du warst bei deiner Familie, da wollte ich nicht stören.«
    »Aber du gehörst doch auch zur Familie. Du gehörst doch dazu.«

    Als ich das nächste Mal aufwachte, war es fünf Uhr. Der Morgen jenseits der Jalousien war schon zitrushell, aber auf den Straßen war

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