Erdbeermond: Roman (German Edition)
kam mir ziemlich töricht vor.
»Genug für heute«, sagte Liesl, und die Leute aus dem Kreis warfen Dollarscheine in eine Schale, standen auf und bliesen die Kerzen aus.
ELF
Ich stand auf dem Korridor und konnte meine große Enttäuschung nicht verbergen.
»Und?«, fragte Nicholas.
Ich schüttelte den Kopf. Nein.
»Nein«, sagte er traurig, »für dich war nichts dabei heute.«
Liesl kam aus dem Raum gerannt und fasste mich am Arm. »Es tut mir so Leid, Herzchen, ich wollte so sehr, dass für dich was dabei ist, aber ich kann diese Dinge nicht kontrollieren.«
»Und wenn wir es …«, begann ich. »Ich meine, könnten Sie mit mir allein eine Sitzung machen?« Vielleicht hätte Aidan eine Chance durchzukommen, wenn die toten Verwandten der anderen Liesl nicht dauernd in den Ohren lagen und was von Rapsöl und sonst was erzählten.
Doch Liesl verneinte bedauernd. »Eins zu eins funktioniert bei mir nicht. Ich brauche die Energie der Gruppe.«
Für dieses Bekenntnis allein hatte sie meinen Respekt. Fast war ich bereit, ihr zu vertrauen.
»Aber manchmal erfahre ich etwas zu unmöglichen Zeiten, zum Beispiel wenn ich zu Hause eine Soap gucke. Wenn ich eine Nachricht für dich habe, sage ich dir Bescheid.«
»Vielen D-«
Ich hörte auf zu sprechen, denn mit einem Mal versteifte sich ihr Körper, und ihre Augen wurden glasig. »Oh Mann, hier ist was für dich. Wer hätte das gedacht?«
Ich bekam weiche Knie.
»Ich sehe einen kleinen blonden Jungen«, sagte sie, »er hat eine Kappe auf. Ist das dein Sohn? Nein, nicht dein Sohn, dein … Neffe?«
»Mein Neffe. JJ. Aber er lebt.«
»Ich weiß, aber er ist dir wichtig.«
Danke, dass du mir etwas sagst, das ich schon weiß .
»Er wird noch wichtiger für dich werden.«
Was sollte das heißen? Dass Maggie sterben würde und ich Garv heiraten und die Stiefmutter von JJ und Holly sein müsste?
»Tut mir Leid, Herzchen, ich weiß nicht, was es bedeutet, ich gebe nur das weiter, was ich erfahre.« Und dann marschierte sie den Korridor entlang, mit der Lasagnepackung im Beutel und so krummen Beinen, dass es aussah wie bei Charlie Chaplin.
»Worum ging es?«, fragte Nicholas.
»Um meinen Neffen, hat sie gesagt.«
»Nicht um deinen verstorbenen Mann?«
»Nein.«
»Na gut. Komm, wir gehen zu Mitch.«
Mitch unterhielt sich angeregt mit Barb, der Frau mit den Reifengummisandalen – sie war wirklich cool, wenn man bedenkt, dass sie wahrscheinlich schon weit über sechzig war: Nicht nur hatte sie scharfe Sandalen, sondern auch eine Umhängetasche, die aussah, als wäre sie aus schwarzem Kassettenband gehäkelt.
»Mitch kann dir von Neris Hemmings erzählen«, versprach Nicholas. »Sie tritt in Fernsehshows auf, und einmal hat sie der Polizei geholfen, ein ermordetes Mädchen zu finden. Sie ist so gut, dass sie mit der Stimme von Mitchs Frau gesprochen hat. Mitch!«, rief er. »Mitch, komm mal rüber.«
»Unterhaltet ihr euch«, sagte Barb mit rauer Stimme. »Ich rauche draußen eine. So weit ist es jetzt gekommen: Ich bin mit Doktor King für die Bürgerrechte marschiert, ich habe mich in der Frauenbewegung engagiert, und seht mich jetzt an. Jetzt muss ich mich wie der letzte Penner in einem Hauseingang verstecken, wenn ich eine Zigarette rauchen will. Was haben wir nur falsch gemacht?« Sie lachte ein gackerndes »Heh, heh, heh«, und sagte: »Bis nächste Woche.«
Mitch kam zu uns rüber.
»Okay«, sagte Nicholas zu mir. »Erzähl ihm alles.«
Ich schluckte. »Mein Mann ist gestorben, und ich dachte, ich könnte hier mit ihm Verbindung aufnehmen. Und rausbekommen, wo er ist.« Es schnürte mir fast die Kehle zu. »Ich möchte gern wissen, wie es ihm geht.«
Mitch verstand mich voll und ganz, das sah ich.
»Ich habe ihr erzählt, dass du bei Neris Hemmings warst«, sagte Nicholas. »Sie hat doch Verbindung zu deiner Frau gehabt und sogar mit ihrer Stimme gesprochen, oder?«
Mitch lächelte leicht angesichts von Nicholas’ Begeisterung. »Sie hat nicht mit ihrer Stimme gesprochen, aber ja, ich habe wirklich mit Trish gesprochen. Ich bin schon bei vielen Frauen mit seherischen Fähigkeiten gewesen, aber sie ist die einzige, die das erreicht hat.«
Mein Herz klopfte heftig, und mein Mund war trocken. »Hast du ihre Telefonnummer?«
»Sicher.« Er holte seinen Kalender hervor. »Aber sie ist sehr beschäftigt. Wahrscheinlich musst du ziemlich lange warten, bis du einen Termin bei ihr bekommst.«
»Das macht nichts.«
»Und es kostet richtig Geld.
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