Erdbeermond: Roman (German Edition)
Seite.
Er legte den Hörer zur Seite, und ich hörte Maggie flüstern: »Wer ist es?«
»Anna. Sie möchte, dass ich nach JJ gucke.«
»Warum?«
»Einfach so.«
Kurz darauf war Garv wieder da. »Er schläft tief und fest.«
»Entschuldige bitte, dass ich dich geweckt habe.«
»Das macht nichts.«
Ich kam mir ein wenig töricht vor und legte auf.
Kaum hatte ich aufgelegt, da packte mich ein verzweifeltes Bedürfnis: Ich musste mit Aidan sprechen.
Ich setzte mich an den Computer und suchte Neris Hemmings im Internet. Sie hatte ihre eigene Website, auf der Hunderte dankbarer Menschen sich äußerten. Dann gab es Angaben zu ihren drei Büchern – ich wusste gar nicht, dass sie welche geschrieben hatte, und ich würde sofort zu der nächsten Barnes & Noble Buchhandlung gehen – und Informationen über ihre bevorstehende Tour durch siebenundzwanzig Städte: Sie trat in Hallen für über tausend Zuschauer auf, in Cleveland, Ohio, und in Portland, Oregon, aber zu meiner bitteren Enttäuschung kam sie nicht nach New York.
Die nächste Stadt war Raleigh, North Carolina. Da fahre ich hin, dachte ich mit plötzlicher Entschlossenheit. Ich nehme mir einen Tag frei und fliege dahin. Dann stellte ich fest, dass alle Flüge ausgebucht waren, und ich versank in tiefster Verzweiflung.
Ich musste eine persönliche Sitzung mit ihr vereinbaren, aber nachdem ich jeden nur erdenklichen Link angeklickt hatte, wurde mir klar, dass ich über die Website nicht mit ihr in Kontakt treten konnte. Ich brauchte die Telefonnummer von Mitch.
DREIZEHN
Ich versuchte mich zu erinnern, ob Aidan und ich jemals Streit gehabt hatten. Ich meine, wir müssen gestritten haben, ich darf nicht den Fehler machen und ihn zu einem Heiligen erheben, bloß weil er gestorben war. Aber ich konnte mich nicht an größere Auseinandersetzungen erinnern – keine lautstarken Szenen oder gar Handgreiflichkeiten, bei denen wir uns mit Küchenutensilien beworfen hätten.
Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten: Ich hatte gelegentliche Eifersuchtsanwandlungen wegen Janie, und jedes Mal, wenn ich Shane erwähnte, fing Aidan an zu schmollen.
Und einmal morgens, als er sich für die Arbeit fertig machte, hatte er Schwierigkeiten mit seinem Haar.
»Es liegt nicht so, wie ich will«, maulte er und versuchte, eine widerspenstige Strähne zu bändigen.
»Das macht doch nichts«, entgegnete ich. »Du siehst doch süß aus, wenn es absteht.«
Einen Moment war er erfreut, dann sagte er: »Ach, du meinst, irisch süß – niedlich, wie ein junger Hund. Nicht amerikanisch süß.«
»Süß, im Sinne von bezaubernd.«
»Ich will aber nicht süß oder bezaubernd sein«, nörgelte er, »ich will gut aussehen. Ich will attraktiv sein wie George Clooney.«
Er stellte die Tube Haarwachs etwas heftiger auf die Konsole, als unbedingt nötig gewesen wäre, was mich ärgerte, und ich warf ihm vor, eitel zu sein, worauf er sagte, wie George Clooney aussehen zu wollen, sei nicht eitel, sondern normal, und ich sagte: Ach ja?, und er antwortete: Ja! Dann fuhren wir in eingeschnapptem Schweigen mit unserer Morgentoilette fort. Aber es war früh am Morgen, und am Abend zuvor war es spät geworden, und wir waren müde und wollten nicht zur Arbeit, mussten aber, und unter diesen Umständen war das alles sehr verständlich.
Es gab noch andere Anlässe – es machte ihn nervös, wenn ich die nachwachsenden Haare an meinen Beinen ausdrückte. Ich amüsierte mich prächtig damit, sie wie Pickel auszuquetschen und rauszuziehen – eklig, ich weiß –, und er sagte: »Anna, bitte. Ich mag es nicht, wenn du das machst.« Und ich sagte dann: »Entschuldigung«, und tat so, als würde ich aufhören, machte aber hinter einem Kissen oder einer Zeitung weiter. Nach einer Weile sagte er: »Ich weiß, dass du es immer noch machst.«
Und dann rastete ich aus und sagte: »Ich kann nichts dafür! Es ist mein … mein Hobby, ich entspanne mich dabei.«
»Kannst du nicht lieber ein Glas Wein trinken?«, fragte er dann, und ich stapfte ins Schlafzimmer, rief jemanden an und drückte nach Herzenslust an meinen Beinen herum, und eine Weile später kam ich wieder heraus, in bester Laune, und wir waren wieder Freunde.
Und ein andermal fuhren wir im Herbst nach Vermont, um die Laubfärbung zu sehen, und ich fand, dass er zu viel fotografierte. Ich hatte das Gefühl, dass er jedes verdammte Blatt im Staate fotografieren wollte, und jedes Mal, wenn er auf den Auslöser drückte und ich das Klicken
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