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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Hoffnung, dass der »Geist« jedem das bringen würde, was er brauchte.
    Dann breitete sich Stille aus. Und blieb. Und blieb. Und blieb. In mir stieg Ungeduld auf. Wann würde es endlich losgehen? Ich machte ein Auge auf und erhaschte einen Blick auf die Menschen im Kreis, auf die schattenhaften Gesichter im Kerzenlicht.
    Mitch beobachtete mich, unsere Blicke begegneten sich. Rasch machte ich das Auge wieder zu. Als Liesl endlich zu sprechen anfing, zuckte ich zusammen.
    »Ich habe hier einen großen Mann.« Ich machte die Augen auf und wollte meine Hand heben, als wäre ich in der Schule. Für mich! Für mich!
    »Ein sehr großer, breiter, dunkelhaariger Mann.« Ich war enttäuscht. Doch nicht für mich.
    »Klingt nach meiner Mom«, sagte der Untote Fred mit kehliger Stimme.
    Liesl überlegte einen Moment. »Fred, ja, entschuldige, es ist tatsächlich deine Mom.«
    »Sie sieht aus wie ein Scheißhaus aus Backsteinen«, erklärte Fred. »Hätte Preisboxer sein können.«
    »Sie bittet mich, dir zu sagen, dass du in der Subway vorsichtig sein solltest. Sie sagt, du passt nicht richtig auf, du könntest ausrutschen.«
    Nach einer Weile, in der niemand sprach, fragte Fred: »Mehr nicht?«
    »Mehr nicht.«
    »Danke, Mom.«
    »Jetzt habe ich Nicholas’ Dad.« Liesl drehte sich zu Nicholas. »Er sagt mir – entschuldige, aber das sind seine Worte –, dass du ein verfluchter Idiot bist.«
    »Und, was ist daran neu?« Nicholas grinste.
    »Es geht um irgendwelchen Ärger bei deiner Arbeit.«
    Nicholas nickte.
    »Dein Dad sagt, du gibst dem anderen Typen die Schuld, aber du musst auch sehen, wo du verantwortlich für die Situation bist.«
    Nicholas streckte die Beine aus, hob die Arme über den Kopf und kratzte sich dann nachdenklich an der Brust. »Vielleicht, ja, wahrscheinlich hat er Recht. So ein Dreck. Danke, Dad.«
    Wieder Stille, dann kam jemand für die Frau mit den Reifengummisandalen – sie hieß Barb – und sagte ihr, sie solle bei ihrer Ernährung an Rapsöl denken.
    »Das tue ich doch«, entgegnete Barb pikiert.
    »Mehr Rapsöl«, sagte Liesl schnell.
    »Okay.«
    Eine der anderen älteren Frauen erhielt die Nachricht von ihrem toten Mann, sie solle »den nächsten richtigen Schritt machen«, die Mutter der unattraktiven jungen Frau sagte, alles würde sich zum Guten wenden, Juan, der pomadisierte Mann, bekam zu hören, er solle im Hier und Jetzt leben, und Mitchs Frau sagte, sie freue sich, dass er diese Woche etwas häufiger gelächelt habe.
    Alles bedeutungslose, halbwegs spirituell klingende Banalitäten. Tröstlich zwar, aber offensichtlich nicht »von der anderen Seite«.
    Das ist doch alles Käse, dachte ich mit Bitterkeit, als Liesl sagte: »Anna, hier ist etwas für dich.«
    Das Blut rauschte mir in den Adern, fast hätte ich mich übergeben, wäre in Ohnmacht gefallen, wäre im Raum herumgesprungen. Danke, Aidan, danke, danke.
    »Eine Frau.« Mist . »Eine ältere Frau, sie spricht mit sehr lauter Stimme.« Liesl wirkte etwas angestrengt. »Fast ein Schreien. Und sie stößt mit einem Stock auf den Fußboden, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.«
    Himmel! Das klang nach Granny Maguire! Das hat sie immer gemacht, wenn sie bei uns zu Besuch war und zur Toilette musste – sie schlug mit dem Stock auf den Fußboden, damit jemand kam und ihr half, und wir saßen unten und zogen Lose, wer gehen musste. Ich fürchtete mich vor ihr. Wir alle taten das. Besonders wenn sie länger keinen Stuhlgang gehabt hatte.
    Liesl sagte: »Es hat mit deinem Hund zu tun.«
    Ich brauchte einen Moment, bis ich stammelte: »Ich habe keinen Hund. Ich habe einen Spielzeughund, keinen lebendigen.«
    »Du überlegst, ob du dir einen zulegen sollst.«
    Wirklich? »Das stimmt nicht.«
    Dann sprach Mackenzie, sie war ganz erregt. »Ich habe einen Hund. Das ist bestimmt für mich.«
    »Okay.« Liesl wandte sich Mackenzie zu. »Ich höre, dass er mehr Bewegung braucht, er wird zu dick.«
    »Aber ich gehe jeden Tag mit ihm raus. Also, nicht ich, aber meine Hunde-Sitterin. Einen dicken Hund würde ich niemals dulden.«
    Liesl sah sich zweifelnd im Raum um. Irgendjemand mit einem dicken Hund?
    Niemand meldete sich.
    Das ist doch scheiße, dachte ich. Das ist doch absolut scheiße.
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, die Lichter gingen an, und vier oder fünf dickliche Jungen rannten herein und sangen: »Oklahoma! Where the …! Hoppla! Falsche Tür.« Seltsamerweise sahen sie alle gleich aus. Die Stimmung war zerstört, und ich

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