Erde
und umgestalten.
Ja, dachte Nelson. Sie ist der einzige Mensch, der mir begegnet ist, welcher über die wahre Sache redet. Ich verstehe nicht die Hälfte von dem, was sie sagt, aber so ist es. Hier ist es, wo ich anfange.
Er strich über die zerkratzten Papierseiten und glaubte, zum erstenmal zu verstehen, warum einige Nostalgiker solche Bände immer gegenüber modernen Büchern bevorzugen. Hier waren die Wörter da, jetzt und immer, keine flüsternden Geister elektrischer Weisheit, klug, aber fließend wie Mondstrahlen. Was dem Band an Subtilität mangelte, glich er durch Solidität aus.
Wie ich – vielleicht?
Nelson lachte.
»Stimmt! Weiter träumen, he?«
Er kehrte zum Text zurück. Als die Affen aus ihrem Bad zurückkamen, fanden sie ihn tief eingetaucht in ein Abenteuer, dem zu folgen sie nicht einmal anfangen konnten. Aber diesmal saßen sie bloß da und sahen zu und ließen ihn dies seltsame menschliche Ding in Frieden tun.
¤
Seit einem halben Jahrhundert war die Stadt West-Berlin eine Art ökologischer Insel.
Ihre Isolation war natürlich nicht total. Unterirdisch sickerndes Wasser ignorierte politische Grenzen, wie auch der Regen und die Verschmutzung durch kommunistische Fabriken gleich hinter der Mauer. Mit Ausnahme einer schrecklichen Episode kurz nach dem Zweiten Weltkrieg flossen Nahrungsmittel und Konsumgüter aus der Bundesrepublik auf Schiene, Straße und in der Luft.
Dennoch war die Stadt in vielfacher Hinsicht eine Oase von weniger als zwanzig Meilen, deren etliche Millionen Eingesperrte mit dem sie umgebenden Territorium kaum Kontakt hatten.
Ohne eine Stelle, wohin sie ihren Abfall schicken konnten, mußten die Berliner damals Pionierarbeit im Recycling leisten. Müll wurde streng von Straßenkehricht getrennt. Sogar Bürgersteige wurden aus Steinkacheln gemacht, um bei Straßenreparaturen aufgestapelt und dann wieder verwendet zu werden.
Trotz des grellen Nachtlebens und seinem Ruf für Respektlosigkeit hatte West-Berlin mehr Parkraum pro Kopf als New York oder Paris. Gärtner zogen mehr für ihren Eigenbedarf als in anderen Städten. Ein stolzer Bürgermeister erklärte, wenn die Menschheit je ein Generationenschiff zu den Sternen schicken würde, sollte es von Westberlinern bemannt sein.
Ein Bonner Bürgermeister erklärte das prompt für eine sehr gute Idee.
Die Berliner lehnten diesen Sarkasmus als ungehobelt ab und lebten weiter.
• KERN •
»Diesmal hast du Pele nicht so erzürnt, du hochbegabter pakeha tohunga.«
Die alte Priesterin langte hin, um Alexens Knie zu betapsen. Mit schriller Stimme fuhr sie fort, ihm Komplimente zu machen. »Du mußt lernen, noch besser vorauszuspielen. Bleib dran! Das ist bestimmt der Weg, um Peles Gunst zu gewinnen.«
Alex errötete. Er schaute zu George Hutton, der in der Nähe auf einer geflochtenen Matte saß. »Worüber redet sie jetzt?«
Der große Maori blickte über das Feuer auf Meriana Kapur, die grinsend die Kohlen mit einem eisernen Feuerhaken schürte. Ruhige Flammen züngelten höher, und die Tätowierungen auf Lippen und Kinn der Priesterin schienen zu flackern und zu tanzen. Das Weib schien alterslos zu sein.
»Tantchen bezieht sich auf die Tatsache, daß es nach den kürzlichen Abtastungen weniger und mildere Erdbeben gegeben hat. Das muß bedeuten, die Erdgöttin hat deine… hm… Sondierungen diesmal akzeptabler gefunden.«
George sagte das mit unbewegter Miene. Oder fast unbewegter. Die Doppeldeutigkeit genügte eben, um zu verhindern, daß Alex einen Impuls unterdrückte, laut loszulachen.
»Ich dachte, Pele wäre eine Hawaiianische Gottheit, keine der Maori.«
George zuckte die Achseln. »Der Pazifik ist heutzutage kosmopolitisch. Hawaiianische Priester konsultieren uns in Sachen körperlicher Magie, während wir ihnen die Entscheidung überlassen, wenn es um Vulkane und planetaren Animismus geht.«
»Da also hast du Geophysik studiert.« Alex schmunzelte. »In der Hütte eines Schamanen, neben einem Lavastrom?«
Er war überrascht, als Hutton ernsthaft nickte, ohne gekränkt zu sein. »Ja, dort und am MIT.« Er fuhr fort: »Natürlich ist die westliche Wissenschaft Spitze. Sie ist der zentrale Wissensschatz, und die alten Götter haben das längst eingeräumt. Nichtsdestoweniger hätten meine Unternehmungen nicht den Rückhalt seitens meiner Familie und iwi und Clans gefunden, wenn ich nicht auch einige Zeit bei den Priestern Peles in die Lehre gegangen wäre, zu Füßen des Kilauea.«
Alex
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