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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Beschleunigung völlig aufhört, wenn die Kugel mit rasenden zehn Kilometern in der Sekunde durch das Zentrum flitzt.
    Sie kann nun nicht mehr weiter fallen. Jetzt strebt sie nach oben.
    (Eine Rätselfrage: Wo kann man in einer geraden Linie weiterfahren und doch zugleich die Richtung ändern?)
    Jetzt sammelt sich mehr und mehr Masse ›unter‹ der aufsteigenden Kugel an. Die Gravitation greift zu und entzieht kinetische Energie. Die Geschwindigkeit läßt nach, bis zuletzt ohne Berücksichtigung von Reibung, Coriolis-Effekten und tausend anderen Dingen unsere Kugel leicht gegen die Tür am oberen Ende stößt.
    Dann fällt sie wieder und eilt wiederum durch träge Schichten des plastischen Kristallmantels und den geschmolzenen Dynamo des Kerns, bis sie nach Fall und Aufstieg schließlich ›zu Hause‹ eintrifft, wo es angefangen hat.

    Neben dem gigantischen Globus schwebten Ziffern und Graphiken. Sie meldeten Alex, daß die Reise etwas über achtzig Minuten dauern würde. Nicht ganz die perfekte Antwort eines Schülers; aber Schüler müssen auch nicht die variable Dichte eines Planeten in Rechnung stellen.
    Als nächstes kam der schlaue Trick. Dasselbe würde für einen Tunnel gelten, der in einem beliebigen Winkel durch die Erde gebohrt würde! Sagen wir fünfundvierzig Grad. Oder einer von Los Angeles nach New York, der kaum das Magma streifte. Jede Rundreise währte ungefähr achtzig Minuten – die Periode eines Pendels der gleichen Spannweite wie die Erde.
    Das ist auch die Periode einer Kreisbahn, die eben über die Wolken führt.
    Alex ließ das Schnittbild bald mit blauen Punkten pulsieren, die alle unter anderen Winkeln fielen – auf den längeren Wegen schneller und auf kürzeren langsamer. Außer geraden Linien gab es auch Ellipsen und Bahnen wie vielblättrige Blüten. Aber in einem regelmäßigen Rhythmus trafen sie alle wieder am gleichen Punkt der Oberfläche zusammen, der als PERU bezeichnet war.
    Natürlich ändern sich die Dinge, wenn man die Erdrotation mit berücksichtigt… und die Pseudo-Reibung eines heißen Objekts, das auf Material in seiner Umgebung stößt…
    Alex zögerte. Diese Simulationen stammten aus seinen ersten Tagen in Neuseeland. Es gab bessere.
    Seine Hände zitterten. Die Handflächen waren noch fleckig von Hautverpflanzungen nach jener Heliumkatastrophe. Ironischerweise hatten sie damals nicht halb so stark gezittert wie nach den heutigen überraschenden Nachrichten.
    Alex wischte alle wirbelnden Punkte fort und rief einen anderen Orbit aus dem Speicher auf. Diese Figur – in hellem Purpur markiert – war kleiner als die anderen – eine abgestumpfte Ellipse, die gegenüber euklidischer Perfektion leicht verzerrt war durch Unregelmäßigkeiten in dem dicht gepackten Kern. Diese erreichte Peru nicht mehr.
    Das war keine theoretische Simulation. Als ihre ersten Gravitationsabtastungen den schrecklichen Schatten des Dinges gezeigt hatten, war neben Entsetzen auch furchtbarer Stolz aufgekommen.
    Es ist nicht sofort verdunstet, hatte er erkannt. Ich hatte damit recht.
    Das war eine sehr schlimme Nachricht. Aber wer in seiner Lage wäre wohl nicht heftig erregt gewesen, wenn er sah, daß das Werk seiner Hände noch pulsierte, Tausende Meilen unter der zerbrechlichen Kruste?
    Es lebte. Er hatte sein Monster gefunden.
    Aber dann hatte es ihm eine neue Überraschung bereitet.
     
    Nachdem die Schlagzeilen von Pedro Manella ihn zum letzten bestgehaßten Burschen der Welt gemacht hatten, war es natürlich eine Erleichterung, als der Weltgerichtshof alle Anklagen wegen einer technischen Besonderheit der Sicherheitsgesetze aufhob. Alex erschien als Opfer skrupelloser Generäle, mehr Tölpel denn Schurke.
    Es wäre besser gewesen, wenn sie ihn eingesperrt und geschmäht hätten. Dann hätten Autoritätspersonen ihn wohl zumindest angehört. Aber so, wie es jetzt stand, gingen die Kollegen einfach über seine topologischen Argumente hinweg als ›bizarre, übermäßig komplexe Erfindungen‹. Noch schlimmer – bestimmte Interessengruppen im Weltdatennetz erkoren ihn über Nacht zu einem zentralen Klatschobjekt.
    »… klassische Syndrome von Schuldabstraktion, die das Subjekt benutzt, um Traumata aus früher Kindheit zu tarnen…«, hatte ein Korrespondent aus Peking geschrieben. Ein anderer in Djakarta kommentierte, »Lustigs absurde Andeutungen, daß das Dissipationsmodell von Hawking falsch sein könnte, paßte vortrefflich zu der Scham und Erniedrigung, die er nach Iquitos

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