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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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gleich unter der Oberfläche zu lauschen. Er beugte sich vor. »Wir haben vorhin darüber gesprochen, wie… wie die Zellen in meinem Körper in Wettbewerb stehen und zusammenarbeiten, um eine ganze Person zu bilden. Und ich habe einige jener Theorien gelesen, wie individuelle Menschen in der gleichen Weise betrachtet werden können… nämlich wie Organe oder Zellen in Kooperation oder Konkurrenz, um Gesellschaften zu bilden. Und wie die gleiche… Metapher…«
    »Wie die gleiche Metapher angewandt werden kann auf die Rolle, die eine Species in der Ökosphäre der Erde spielt, ja. Das sind nützliche Vergleiche, so lange wir uns bewußt sind, daß es sich eben nur um Vergleiche oder Modelle einer viel komplizierteren Realität handelt.«
    Er nickte. »Aber warum sagen Sie, daß sogar unsere Geister derart sind?«
    »Warum denn nicht?« Dr. Wolling lachte. »Die gleichen Prozesse haben Komplexität erzeugt – in der Natur, in unseren Körpern und in Kulturen. Warum sollten sie nicht ebensogut in unseren Köpfen funktionieren?«
    Wenn man es so sah, klang es recht vernünftig. »Aber warum halten wir uns für Individuen? Warum verbergen wir vor uns selbst die Tatsache, daß wir im Innern so viele sind? Was ist das Ich, das dies eben jetzt denkt?«
    Jen lächelte und lehnte sich zurück. »Mein Junge. Mein lieber Junge. Hat dir schon einmal jemand erzählt, daß du eine seltene und wertvolle Begabung hast?«
    Nelson dachte erst, sie meinte sein unerwartetes Geschick mit Tieren und der Handhabung der Ökologie von Arche Vier. Aber sie korrigierte diesen Eindruck. »Nelson du hast eine Geschicklichkeit, die richtigen Fragen zu stellen. Würde es dich überraschen zu erfahren, daß die eben von dir gestellte wahrscheinlich die tiefste und komplexeste der Psychologie ist? Vielleicht sogar der gesamten Philosophie?«
    Nelson zuckte die Achseln. Die Art, wie er sich jedesmal fühlte, wenn Jen ihn lobte, war genügend Beweis dafür, daß er mehrere Ichs hatte. Während der eine Teil von ihm dann immer verlegen war, badete sich ein anderer in dem, was er am meisten begehrte, ihrer Anerkennung.
    »Große Geister haben seit Jahrhunderten versucht, Bewußtsein zu deuten«, fuhr sie fort. »Julian Jaynes nannte es das ›analoge Ich‹. Die Kraft, einen zentralen Punkt ›ich‹ zu nennen, scheint jedem individuellen menschlichen Drama Intensität und Prägnanz zu geben. Ist das der Menschheit ganz eigentümlich? Oder nur eine nützliche Sache? Etwas, von dem wir nur ein bißchen mehr besitzen als etwa Delphine oder Schimpansen?
    Ist Bewußtsein in etwas eingesenkt, das manche als Seele bezeichnen? Ist es eine Art Monarch des Geistes? Eine Kreatur höherer Ordnung, die hierhergesetzt wurde, um über alle ›niederen‹ Elemente zu herrschen?
    Oder ist es, wie manche vorschlagen, nur eine weitere Illusion? Wie eine Welle an der Oberfläche des Ozeans, die ›real‹ genug erscheint, aber nie aus den gleichen Teilchen von Wasser besteht von einer Minute zur nächsten?«
    Nelson erkannte eine Aufgabe, wenn er sie vernahm. Prompt griff Jen in ihre Handtasche und nahm ein Paar kleiner Objekte heraus, die sie ihm über den Tisch zuschob. »Hier sind einige Dinge zu studieren. Das eine enthält Artikel von Gelehrten so weit zurück bis hin zu Ornstein, Minsky und Bucharin. Ich meine, du wirst sie nützlich finden, wenn du für das nächste Mal deine Spekulationen aufschreibst.«
    Er griff verwirrt nach den Objekten. Das eine war eine Standard-Infozelle vom Gigabyte-Typus. Aber das andere war noch nicht einmal ein Chip. Er erkannte die Scheibe als eine altmodische Metallmünze und las die um den Rand eingeprägten Worte United States of America.
    »Wirf einen Blick auf das Motto!« forderte sie ihn auf.
    Er wußte nicht, was das bedeutete und suchte daher nach dem, was darauf am unverständlichsten war: »E… pluribus… unum?« buchstabierte er vorsichtig.
    »Mmm«, bestätigte sie und sagte weiter nichts. Nelson seufzte. Natürlich würde er das allein herausbringen müssen.
     
    Trotz aller Zahlen hätte das schon längst passieren können.
    Jen dachte nach über Bewußtsein – ein Thema, das ihr einst teuer gewesen war, dem sie aber seit einiger Zeit nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Bis alle diese neuen Abenteuer ihre angenehme bilderstürmerische Existenz umwarfen und sie wieder auf die Betrachtung der Basis zurückwarfen. Jetzt konnte sie nicht umhin, auf ihrem Rückweg zu den Tangoparu-Minen bei diesem Thema zu

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