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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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gedauert, zu erkennen, daß auch Weibchen hierarchische Kämpfe ausfochten… selten so extravagant wie die Männchen und weniger um primitive Zeugungsrechte, als vielmehr um Nahrung und Rang. Aber ihr Groll konnte länger währen und entschlossener sein.
    Das herrschende Männchen des Trupps starrte ihn an – eine riesige Bestie von mindestens fünfunddreißig Kilos. Narben auf den ergrauten Flanken zeugten von früheren Kämpfen. Überall, wohin er kam, gingen ihm andere schnell aus dem Wege. Die Miene des Patriarchen war heiter.
    Das ist ein Bursche, der respektiert wird.
    Nelson konnte nicht umhin, an seine eigenen Triumphe und noch häufigeren Niederlagen damals in White Horse zu denken, wo das Zücken eines Messers oft den Anspruch eines Jungen auf den ›Stammesgipfel‹ – oder sogar über sein Leben – entschied. Auch Mädchen hatten ihre Methoden, einander auszustechen. Und dann gab es alle die Machtpyramiden von Schule und Stadt, von Arbeit und Gesellschaft. Hierarchien. Das hatten sie alle gemein.
    Überdies hatte keine jener Hierarchien ihn anscheinend gebraucht oder geschätzt. Das war eine unangenehme Erkenntnis, und Nelson haßte die Paviane um so mehr, weil sie es so deutlich machten.
    Nelson schweißige Hand auf dem Elektroprüfer zog sich zusammen, als ein Paar junger Erwachsener von je vielleicht zwanzig Kilos sich ein paar Meter entfernt niederließen, um sich gegenseitig das Fell zu putzen. Der eine von ihnen drehte sich um und gähnte ihn an. Er sperrte das Maul so weit auf, daß er Nelsons Bein bis zum Knöchel hätte verschlingen können. Nelson zog sich in einige Entfernung zurück, ehe er mit einem anderen Kothaufen weitermachte.
    »Ich denke, daß ich gern mit Tieren arbeiten würde«, hatte er ihnen gesagt, als er gerade in Kuwenezi angekommen war. Sein Einwegticket war abgeflogen und sein Vorrat an geschmuggelten Whatifs auf dem Tisch des Beamten für Arbeitsvermittlung ausgebreitet.
    Kurz ehe er den verhängnisvollen Entschluß gefaßt hatte, hierherzukommen, hatte Nelson einen Dokumentarbericht über die Wissenschaftler des Kantons gesehen – Afrikaner, die für die Rettung Afrikas kämpften. Das war ein romantisches Bild. Als er gefragt wurde, welche Arbeit er als neuer Bürger gern machen möchte, war ihm daher zuerst das Archenprojekt in den Sinn gekommen. »Natürlich will ich erst mein Geld anlegen. Ich würde Teilzeitarbeit leisten wollen, verstehen Sie.«
    Der Anstellungsbeamte hatte die Software-Kassetten betrachtet, die Nelson aus dem Büro von White Horse geklaut hatte, und gesagt: »Ihr Beitrag genügt für provisorische Zulassung. Und ich denke, wir können für Sie passende Arbeit finden.«
    Nelson grinste bei der Erinnerung. »Richtig. Affenkot schaufeln. Das ist wirklich angemessen.« Aber sein Geld war jetzt futsch, verschwendet an momentane neue Freunde, die sich als höchst launisch erwiesen, als die Kohlen zu Ende gingen. Und daheim in Kanada hatte die Justizbehörde einen Haftbefehl gegen ihn erlassen.
    Der Sammler piepste. Nelson wischte seine Spitze ab und warf einen Blick zurück auf die zwei jungen Männchen. Sie hatten Gesellschaft bekommen durch ein kleines Weibchen, das ein Baby trug. Als Nelson sich auf der Suche nach mehr Dung bewegte, folgten sie ihm.
    Nelson behielt sie im Auge, als er den nächsten Haufen sondierte. Das junge Weibchen wirkte nervös.
    Sie schaute ständig auf die Gruppe zurück. Nach einigen Minuten näherte sie sich einem der Männchen und hielt ihm ihr Baby hin.
    Nach sechs Monaten in den Archen konnte Nelson sich recht gut denken, was die junge Mutter vorhatte. Erwachsene Paviane waren oft von Babies fasziniert. Weibchen des höchsten Ranges, Nelson bezeichnete sie als zähe Mamas, nutzten das zu ihrem Vorteil und ließen sich von anderen bei der Betreuung ihrer Kleinkinder helfen, als ob sie ihren Untergebenen eine besondere Gunst erwiesen.
    Andere Weibchen fürchteten unerwünschte Beachtung ihres Nachwuchses. Bisweilen gab eine, die das Baby nahm, es nie zurück. Darum versuchte eine Mutter niederen Ranges manchmal, Beschützer zu gewinnen.
    Aber es war das erste Mal, daß Nelson je einen so direkten Versuch gesehen hatte. Das Kleinkind gurrte das große Männchen verlangend an, und seine Mutter machte Pflegegesten; aber das Männchen sah sich das Baby nur desinteressiert an und wandte sich dann ab, um im Boden nach Insekten zu scharren.
    Nelson zwinkerte. Er erlebte plötzlich einen jener unerwarteten und unerwünschten

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