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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Tiere unten immer wieder nach ihm sprangen und schnappten, wobei sie sein Hinterteil nur um Zollbreite verfehlten. Innerlich besaß er noch genug Energie, sich einen Idioten zu schimpfen.
    Sie haben mir eine Chance gegeben! erkannte er. Die Matriarchinnen hatten abgewartet, nachdem das junge Weibchen auf ihn gesprungen war, um zu sehen, was er tun würde. Er hätte die Kleine verschmähen – hätte sie losreißen und absetzen können.
    Zum Teufel – ich hätte mich bloß hinsetzen müssen… dann hätte sie ausreißen müssen.
    Natürlich war die Konsequenz unausweichlich. Die kleine Äffin hatte keine Chance. Aber wenigstens wäre er nicht hineingezogen worden. Jetzt verstand Nelson die Wut der anderen Paviane. Er hatte seine Neutralität verletzt und Partei ergriffen.
    Als er endlich zu Atem kam, kletterte und stieß er sich auf die schmale Plattform hinauf. Ein Meter entfernt saß seine unwillkommene Schutzbefohlene, beleckte ihr Baby und beobachtete ihn. Als er eine Bewegung machte, um sich aufzusetzen, bewegte sie sich etwas, um ihm Platz zu machen.
    Er zeigte mit der Hand auf sie und schnaufte: »Du bist höchst lästig.«
    Zu seiner Überraschung kehrte sie ihm den Rücken zu mit einer ihm bekannten Geste. Sie wollte von ihm gekrault werden!
    »Tolle Gelegenheit dafür!« knurrte er.
    Er sah sich verdrießlich um. Die Gruppe schien damit zufrieden, ihn eine Weile bloß zu beobachten. Das große Männchen, das Nelsons Apparat untersuchte, hatte den Auslöser nicht gefunden – Glück im Unglück –, ihn aber halbwegs zur Akaziengruppe gezerrt, ehe es die Lust an ihm verlor und liegen ließ.
    Jetzt war der nächste Ausgang viel näher als seine Waffe.
    Die Clique der hochrangigen Weibchen saß ruhig auf den Hinterteilen und schaute zu ihm auf. Einzeln gingen sie kurz fort, um nach ihren eigenen Kleinkindern – in ›Tagesobhut‹ bei Weibchen geringeren Ranges – zu sehen. Dann kamen sie schnell zurück und gesellten sich wieder zu der improvisierten Gruppe, die mit Lynchjustiz drohte.
    Nelson wandte sich um und schlug frustriert auf die dicke Scheibe aus Schutzglas hinter sich. Die einzige Reaktion war ein dumpfes Dröhnen… und angeschlagene Knöchel. Die Verschalung aus Bangkok-Kristall war unglaublich widerstandsfähig. Es käme gar nicht in Betracht, sie zu zerbrechen.
    Unten lagen niedrigere Terrassen des Archenturms, eine jede durch noch mehr fest versiegeltes Glas geschützt. Nelson konnte in dem Ökosystem direkt unter dem seinen Waldwuchs ausmachen. Dieser bewahrte nicht nur ein Stück Dschungel, sondern war auch ein Teil der passiven Atmosphärenregeneration, welche Arche Vier fast autark machte.
    Eine Bewegung fiel ihm ins Auge. Er sah längs der Baumwipfel unten Leute auf einem Laufsteg durch den Baldachin des Waldes gehen. Er kniff die Augen zusammen und erkannte sowohl das dunkle Gesicht des Archendirektors wie die kaffeefarbenen Züge von Dr. B’Keli. Sie zeigten die neue künstliche Ökosphäre einer weißen Frau, die klein, gebrechlich und ziemlich alt war. Nach ihren Mienen schienen sie einen guten Eindruck machen zu wollen. Sie nickte und pflückte an einer Stelle ein Blatt, um es zwischen den Händen zu zerreiben.
    »He! Hier oben! Seht her!« Nelson schlug an das Glas eine durch die Umstände wohl erforderte Bemühung, obwohl er keine reale Hoffnung hatte, gehört zu werden.
    Ganz klar – die Gruppe schlenderte weiter, ohne das sich über ihren Köpfen abspielende Drama zu ahnen.
    Verdammt sollen sie sein! Verdammt die Archen! Verdammt das Rettungsprojekt und verdammt ich selber, daß ich mich je auf diesen Mist eingelassen habe!
    In diesem Moment verwünschte Nelson alles, woran er denken konnte – von der Menschheit des zwanzigsten Jahrhunderts, die das zarte Gleichgewicht der Erde zerstört hatte, bis zu den Wählern und Bürokraten des einundzwanzigsten, die Vermögen ausgegeben hatten in dem Versuch, das, was übrig war, zu retten, und zu seinen Vorfahren, jenen Höhlenmenschen, die so blöde gewesen waren, sich große, nutzlose Gehirne wachsen zu lassen, die jedermann stets mit Buchwissen vollzustopfen versuchte, wo doch das, was ein Bursche wirklich brauchte, Krallen und große Zähne waren und eine Haut, so zäh wie altes Leder!
    Er erinnerte sich an den Anführer der Bantus, eines ›Jugendclubs‹, dem er damals in White Horse sich anzuschließen versucht hatte. Der war nicht als eine städtische Bande alten Stiles gedacht, obwohl es letztlich darauf hinauslief.

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