Erde
dies Ereignis hier eine unerwartete Wendung nahm. Die Beamten, die den wild blickenden Amokläufer gepackt hatten, ließen, abgelenkt durch rasende Verwandte an ihren Ärmeln, nur einen Moment etwas locker. Selbst dann hätte ein normaler Mensch sich nicht freizerren können. Aber in einem Ausbruch hysterischer Kraft riß sich der Rasende los und lief fort. Mit unzusammenhängendem Geheul schlug er Zuschauer nieder und tobte dann durch das Verkehrsgewühl – direkt auf Alexens Wagen zu!
Die Arme des Amokläufers waren gefesselt. Er kann nicht weit kommen, dachte Alex. Irgendwer wird ihn aufhalten.
Im letzten Moment traf Alex die Entscheidung, seine Tür aufzureißen. In diesem kurzen Augenblick schienen die Augen des Verrückten klar zu werden. An die Stelle von Wut trat ein fast heller, kläglicher Ausdruck – als ob er Alex fragen wollte: Was habe ich dir je angetan? Dann stieß er mit der Tür zusammen und prallte ein paar Meter zurück, ehe er auf die Straße taumelte. Irgendwie fühlte Alex sich schuldig, als ob er gerade einen hilflosen Kerl zusammengeschlagen hätte, anstatt möglicherweise Leben zu retten. Aber das hinderte ihn nicht, herauszuspringen und sich auf den strampelnden, kreischenden draufzuwerfen, der jetzt unpassend Tränen vergoß, während er in einem binnenländischen Han-Dialekt fluchte. Ohne eine bessere Möglichkeit, ihn festzuhalten, setzte Alex sich einfach auf ihn, bis Hilfe kam.
Dieser ganze Vorfall – vom Ausbruch bis zu dem Augenblick, wo Polizisten die Beruhigungssprays anwandten, die sie gleich an erster Stelle hätten benutzen sollen, dauerte kaum mehr als eine Minute. Als der zusammengeschnürte Amokläufer durch eine Menge klickender True-Vu-Linsen auf ihn zurückschaute, hatte Alex momentan ein Gefühl, als ob er den Burschen verstünde… vielleicht viel besser, als er die gaffenden Touristen um ihn herum verstand. In diesen Augen lag etwas verzweifelt Ängstliches und doch Sehnsüchtiges. Ein Blick, der Alex an das, was er manchmal bei einem kurzen Seitenblick in den Spiegel sah, gemahnte.
Es war ein eigenartiger Moment des Erkennens. Wir alle erschaffen Ungeheuer in unseren Hirnen. Der einzig wichtige Unterschied könnte sein, wer von uns seine Monster real werden läßt.
Oh, was würde ich jetzt nicht für eine gute altmodische britische Langeweile geben…
Er hatte kaum wieder Platz genommen, als der Fahrer hinter ihm kräftig hupte. Soviel, was den Lohn für Heldenmut angeht! Als er um einen letzten Touristenbus kurvte, sah er endlich freies Land vor sich. Vorsichtig gab er dem Motor Wasserstoff, setzte das Schwungrad des kleinen Wagens in Gang und gewann allmählich Geschwindigkeit. Bald flogen die nördlichen Teile des Mamaku-Gebirges vorbei, als er Rotorua hinter sich ließ und sich zum Zentralplateau aufmachte.
Diese Fernstraße teilte die Haupteigenschaft der Kiwi-Straßen – einen sturen Widerstand gegen gerade Strecken. Das Fahren erforderte sorgfältiges Schwenken um Haarnadelkurven und steile Klippen, wobei man immer wieder über Abstürze in gähnende, flaumige Leere starrte.
Es war leicht zu verstehen, wie Neuseeland seinen Maorinamen bekommen hatte – Ao Tearoa – Land der Langen Weißen Wolke. In Nebel gehüllte Gipfel stellten liegende, in Dunst gekleidete Riesen dar. Die grünen Hänge der schlummernden Vulkane trugen reiche Wälder, Wiesen und mehr als zwanzig Millionen Schafe. Diese wurden heute meist wegen ihrer Wolle gehalten, obwohl er wußte, daß George Hutton und viele andere Einheimische von Zeit zu Zeit frisches Fleisch aßen und daran nichts Unrechtes fanden.
In diesem Land von Dampfgeysiren und rumorenden Bergen fuhr man niemals weit, ohne eines der kleinen geothermalen Kraftwerke Huttons anzutreffen, deren jedes auf einer Pfahlwurzel stand, die in Nähe einer Magma-Ader gebohrt war. Das Kartieren solcher unterirdischen Quellen hatte George reich gemacht. Das Netz der Sensoren, das von dieser Aktion übrig geblieben war, half Alexens Team jetzt zu bestimmen, was im Erdkern geschah.
Nicht, daß jemand erwartete, die Durchmusterungen würden Anlaß zu Hoffnung geben. Wie wird man schließlich einen unerwünschten Gast los, der eine Billion Tonnen wiegt? Ein Monster, das viertausend Kilometer tief sicher in einem Nest ruht? Man macht es bestimmt nicht auf die Art, wie die Maori taniwha… Dämonen…zu besänftigen pflegten, indem sie sich ein Haar ausrissen und es in finstere Wasser warfen.
Aber George wollte, daß die Arbeit
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