Erde
langsam an einer Menge vorbei, die sich in die Straße ergossen hatte und zusah, wie Tänzer eine haka auf der Marae-Plattform eines imposanten Maori-Bethauses aufführten. Schräge Balken aus extravagant geschnitztem Rotholz überragten den Hof, wo Männer mit nackter Brust ihre Zungen ausstreckten und brüllten, im Gleichmaß stampften und tätowierte Beine und Arme beugten, um die entzückten Touristen einzuschüchtern.
George Hutton hatte Alex vor einiger Zeit mitgenommen, um ihm bei der Hochzeit seiner Nichte die echte Sache zu zeigen. Die haka war wirklich sehenswert. Zeugnis eines reichen kulturellen Erbes, das immer noch lebte.
Wenigstens für eine Weile…
Alex schüttelte den Kopf. Es ist nicht meine Schuld, wenn es keine hakas – oder Maoris – mehr gibt in ein paar Jahren. Ich bin nicht für das Ding verantwortlich, das die Erde von innen verschlingt.
Alex hatte dies Monster nicht gemacht – die Singularität, die sie Beta nannten. Er hatte sie nur entdeckt.
Aber im alten Ägypten pflegte man den Boten, der schlechte Kunde brachte, zu töten.
Er würde keinen so leichten Ausweg haben. Er wäre vielleicht nicht der einzige gewesen, der Beta auf Kurs brachte, aber er hatte die verdampfende Iquitos-Singularität geschaffen – Alpha. Für George Hutton und die anderen machte ihn das stellvertretend verantwortlich – ganz gleich, wie sehr sie ihn persönlich mochten –, bis die wahren Schöpfer von Beta gefunden waren.
Alex erinnerte sich an das Bild, das im Holotank deutlich wurde, als sie die verwickelte Topologie des Monsters sondierten. Es war schrecklich, gefräßig und schön anzusehen. Unleugbar war da irgendwo ein Genius… jemand, der eine Menge besser war als Alex bei seinem Spiel. Die Erkenntnis war demütigend und etwas erschreckend.
In seine Gedanken versunken, hatte er den kleinen Wagen der Tangoparu-Company mit mentalem Autopiloten gesteuert und sich durch einen Stau nach dem anderen durchgefädelt. Gerade wenn der Verkehr wieder flüssig zu werden schien, zwangen ihn rote Bremslichter, scharf anzuhalten. Lautes Geschrei und Hupen schmetterten vor ihm los.
Alex lehnte sich aus dem Fenster, um besser sehen zu können. Notlichter flackerten. Eine mit dem Magnus-Effekt betriebene Ambulanz schwebte bei einem jener massiven klotzigen Touristenhotels, wo preisbewußte Reisende enge, schmale Einheiten nach Kubikmetern mieteten. Der sphärische Gassack des Vehikels rotierte langsam um einen horizontalen Mast und manövrierte mit kleinen Änderungen des Drehimpulses vorsichtig nahe bei den weißgekleideten Sanitätern. Alex konnte die Verletzten nicht sehen, aber Flecken auf der Kleidung schockierter Zuschauer sprachen von einem blutigen Ereignis, das erst vor Momenten stattgefunden haben mußte.
Plötzlich teilte sich die Menge, und mehr Polizei schwebte herbei, die sich mit einer Figur in einer Zwangsjacke abmühte, die mit wilden Augen heulte und kreischte und deren Gesicht und Kleidung mit Blut und Speichel verschmiert waren. Ein grüner Gaskanister an seinem Gürtel wies ihn als ›Döser‹ aus – einen jener Unglücklichen, die mehr als andere Leute für zu viel Kohlendioxid anfällig sind. Bei den meisten verursachten solche Grenzfälle wenig mehr als Schläfrigkeit oder Kopfschmerzen. Aber manchmal kam es zu einer wilden Raserei, die durch den Druck andrängenden menschlichen Fleisches noch viel schlimmer gemacht wurde.
Offensichtlich hatte zusätzlicher Sauerstoff diesem Burschen nicht geholfen… oder den armen Opfern seines mörderischen Anfalls Alex hatte vorher noch nie einen Amokläufer aus so unmittelbarer Nähe gesehen, aber gelegentlich die Effekte aus der Distanz beobachtet.
»Du bekommst nichts, außer dem, was anderswo weggenommen wurde.«
Er erinnerte sich dunkel an Jen, die das beim letzten Mal sagte, als er ihr Büro in London besuchte, während sie am Fenster beieinander standen und zusahen, wie sich das tägliche Fahrradgewühl zu einem Krawall an der Westminsterbrücke entwickelte. Sie hatte gesagt: »True-Vu-Technik hat geplanter Straßenkriminalität ein Ende gemacht. Also sind heute die meisten Morde Verbrechen aus reiner Milieu-Überlastung. Alex, versprich mir, daß du nie einer von denen da unten sein wirst… die im Grunde brave Angestellte sind!«
Mit schrecklicher Faszination hatten sie stumm zugesehen, wie sich das Krakeelen der Pendler bis zum Brunner Quay ausbreitete, dann nach Osten zum Arts Center. In Erinnerung an diese Episode sah Alex, wie
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