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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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hatte. Und wenn sie alle Strände und malerischen Stellen binnen viertausend Kilometern von Peking überschwemmten, so zahlten sie auch gut für ihre hart erworbene Muße.
    Aber noch mehr Chinesen strömten aus Schwungradbussen direkt vor Alexens kleinem Wagen. Sie trugen scheußliche Sonnenhüte und True-Vu-Brillen, die gleichzeitig die Augen schützten und für die Nachwelt jeden kitschigen Einkauf bei freundlichen Konzessionären aufzeichneten, die aufdringlich ›echte‹ eingeborene neuseeländische Holzkunstwerke anpriesen.
    Nun, jetzt sind sie an der Reihe, dachte Alex und übte sich in Geduld. Und das ist gewiß besser als Krieg.
    Der Kiwi-Herbst war noch warm und windig. Darum hatte er das Seitenfenster heruntergedreht. Der Geruch nach Wasserstoffsulfid von den Geysiren war ätzend, aber nicht allzu auffällig nach der ganzen Zeit, die er unterirdisch mit George Huttons Leuten gearbeitet hatte. Während er darauf wartete, daß der Verkehr wieder flüssig würde, sah Alex zu, wie noch ein silbriger Kreuzfahrtzeppelin dicht über einen von Bäumen gesäumten Paß fuhr und in Richtung auf den belebten Flugplatz am Stadtrand niederging. Selbst von hier aus bemerkte er die ins Zwischendeck gezwängte Menge, deren Gesichter gegen die Fenster gepreßt waren, um auf die dampfenden Vulkanseen von Rotorua hinabzublicken.
    Vor einer oder zwei Dekaden hätten es die neuen Bourgeois von Birma oder Marokko sein können, die die großen Vergnügungsliner dicht bevölkerten und den billigen Zeppelinverkehr ausnutzten, um ins Ausland auszuschwärmen auf der Suche nach Armladungen billiger Souvenirs und Erinnerungskonserven. Inzwischen würden die Han sich an das alles gewöhnt haben. Sie würden anspruchsvolle und gebildete Individualreisende sein wie die Japaner, Malayen und Türken, die aufgeregten Mobs aus dem Weg gingen und über die Taktlosigkeit von Touristen der ersten Generation die Nase rümpften.
    Das war die seltsame Natur des ›gemischten Mirakels‹. Denn während die Nationen der Welt über schwindende Ressourcen knauserten und haderten und bisweilen heftig über Flußrechte und sich verlagernde Regenfälle rauften, genossen ihre Massen inzwischen eine steigende Flut von ehemaligem Luxus, ermöglicht durch den Dämon der Hoffnung.
    - Reines Wasser kostete fast ebensoviel wie die Monatsmiete. Gleichzeitig konnte man für Kleingeld in der Tasche Disketten kaufen, die tausend Sachbücher oder hundert Stunden Musik enthielten.
    - Treibstoff war auf reiner Bedarfsbasis rationiert, und Fahrräder erstickten die Städte der Welt. Aber Urlaubsorte innerhalb eines Eintagesfluges mit Zeppelin waren auch für bescheidene Lohnempfänger erreichbar.
    - Die Bildung erhöhte sich von Jahr zu Jahr; und wer Zertifikate über volle Zuverlässigkeit hatte, konnte sich selbst jede bekannte Droge verordnen. Aber in den meisten Staaten konnte man eingesperrt werden nur für das Wegwerfen einer Sodaflasche.
    Für Alex lag die Ironie darin, daß niemand das irgendwie erstaunlich fand. Die Veränderung pflegte so auf einen zuzuschleichen – von Tag zu Tag.
    »Jeder, der die Zukunft vorauszusagen versucht, ist unbedingt ein Narr. Jetzige Company eingeschlossen. Ein Prophet ohne Sinn für Humor ist bloß blöde.«
    So hatte seine Großmutter es einmal formuliert. Und sie sollte es wissen. Jeder pries Jen Wolling für ihre glänzende Voraussicht. Aber eines Tages hatte sie ihm ihre Beurteilungskarte seitens des Welt-Voraussage-Registers gezeigt. Nach fünfundzwanzig Jahren der Archivierung von Voraussagen notierte ihr Erfolg bloß sechzehn Prozent! Und das war noch besser als der Durchschnitt im Register.
    »Die Leute pflegen dramatisch zu werden, wenn sie über die Zukunft reden. Als ich jung war, gab es Optimisten, die im einundzwanzigsten Jahrhundert private Raumschiffe und Unsterblichkeit voraussahen… während Pessimisten die gleichen Trends beobachteten und Zusammenbruch in weltweite Hungersnot und Krieg erwarteten.
    Beide Voraussagen werden immer noch gemacht, Alex. Dabei wird der Stichtag immer um eine Dekade verschoben, dann wieder und wieder eine. Inzwischen wursteln sich die Leute so durch. Manche Dinge werden besser, manche viel schlechter. Seltsam genug, scheint ›die Zukunft‹ nie einzutreten.«
    Natürlich wußte Jen nicht alles. Sie hatte zum Beispiel nie erwartet, daß das Morgen abrupt kommen könnte, endgültig, in Gestalt einer mikroskopischen und titanisch schweren Faltung des Raumes…
    Alex manövrierte sich

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