Erde
anderer Ansicht und unterbrach sie.
»Er bedeutet unsere Rettung! Von allen Leuten sollten gerade Sie wissen, welcher Schaden angerichtet wurde, ehe er in Kraft trat. Möchten Sie jetzt ungeschützt ins Freie gehen? Unsere Großeltern konnten das noch ungefährdet tun, selbst an einem Tag wie heute.«
Sie schaute durch die getönten Glasscheiben des Restaurants. Draußen war es klar, keine Wolke am Himmel. Viele Spaziergänger genossen einen Nachmittag auf der Promenade. Aber jeder ohne Ausnahme trug einen Sonnenhut und Schutzbrille.
Teresa wußte, daß die UV-Gefahr oft übertrieben wurde.
Selbst ein paar Tage Sonnenbaden am Strand würden die durchschnittliche Lebensdauer einer Person nicht wesentlich verkürzen. Die Ozonschicht war noch nicht so schlimm entleert. Aber Teresa erfaßte recht gut, was Manella meinte. Menschliche Kurzsichtigkeit hatte den schützenden Schleier zerfetzt, so wie sie auch die Ausbreitung der Wüsten und den Anstieg der Meere beschleunigte.
Er fuhr fort: »Ihr Amerikaner setzt mich in Erstaunen. Ihr habt den Rest von uns mit Tritten und Geschrei umweltbewußt gemacht. Ihr und die Skandinavier habt mit Schikanen und Zwang gedrängt, bis die Verträge unterzeichnet wurden… möglicherweise noch rechtzeitig, um etwas von diesem Planeten zu retten.
Aber dann, als die Gesetze und Tribunale einmal etabliert waren, habt ihr am lautesten gejammert! Habt wie frustrierte Kinder über Einschränkungen eures Rechtes gezetert, zu tun, was immer euch beliebt.«
Teresa sagte nichts, aber meinte im stillen: Wir haben nie all die verdammte Bürokratie erwartet.
Ihr persönlicher Ärger war die Langsamkeit des Tribunals bei der Freigabe neuer Raketenkonstruktionen – studieren und immer wieder studieren, ob dieser oder jener Treibstoff schädliche oder Treibhausgase erzeugen würde. Man schloß das Scheunentor zu spät hinter einem Problem und gleichzeitig die Tür der günstigen Gelegenheit.
»Die Welt ist zu klein«, fuhr Manella fort. »Unser gebrechlicher und frugaler Wohlstand taumelt vor einem Abgrund. Warum denken Sie, daß ich mich der Aufgabe widme, kleine Möchtegern-Fauste wie Alex Lustig zu jagen?«
Sie blickte auf. »Wegen der Schlagzeilen?«
Manella hob sein Weinglas. »Touché. Aber mein Punkt bleibt, Captain Tikhana. Es ist etwas an Bord dieser Station passiert. Lassen wir einmal Illegalität beiseite und reden wir über Geheimhaltung. Geheimhaltung bedeutet, daß es nicht der Nachprüfung und Kritik unterlag. So kommt es zu Unglücksfällen wie Tschernobyl, Lamberon und Tsushima. Das ist auch der Grund, weshalb – um es schrecklich derb zu formulieren – Ihr Gatte eben jetzt mit relativistischer Geschwindigkeit auf Sagittarius zurast.«
Teresa fühlte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Sie hatte eine plötzliche Erinnerung… nicht an Jason, sondern an die schlüpfrige Art, wie Oberst Glenn Spivey es geschafft hatte, nicht auszusagen. Spivey mußte mehr wissen, viel mehr, als er sagte.
Oh, Manella war schon raffiniert. Bis dahin, daß er wußte, wann sein Punkt zu machen war… und wann es am besten war, nicht mehr weiterzusprechen, wenn sein Opfer sich irgendwie seiner höllischen logischen Falle entwand.
Teresa verzweifelte und sah keinen Ausweg. Sie mußte die Wahl treffen zwischen zwei gleichermaßen widerwärtigen Wegen.
Sie könnte damit zum Generalinspekteur gehen. Nach Bundes- und Vertragsrecht würde sie vor Vergeltungsmaßnahmen sicher sein. Rang, Bezahlung und Sicherheit wären ihr garantiert.
Aber es gab keine Möglichkeit, wie der GI das Kostbarste schützen könnte, das ihr noch geblieben war – ihren Status als Fliegerin. Wie es auch kommen mochte – ›sie‹ würden eine Ausrede finden, um sie nicht wieder in den Weltraum zu lassen.
Die andere Wahl deutete Manella ganz klar an. Sie formulierte stumm die halbe Obszönität… eine Konspiration.
Es kratzte etwas am Fenster. Sie sah hinaus und stellte fest, daß eine Kreatur an der glatten Glasfläche krabbelte – ein großes Insekt, bizarr und erschreckend, bis es ihr einfiel.
Eine Zikade. Ja, im Netz gab es Geschichten darüber.
Die Stadt hatte sich gewehrt gegen das Wiederauftreten der Siebzehnjahrezikaden, die seit undenklichen Zeiten jede Generation mit geräuschvollem knarrenden Insektenleben überflutet hatten, indem sie durch die Bäume flatterten und alle Leute wachhielten, bis sie sich schließlich paarten, ihre Eier legten und starben. Eine Belästigung, die aber so selten und nach
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