Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Bungalowwindmühlen, auf denen halbrunde Kuppeldächer thronen. Ich habe schon gelernt, dass die nicht einfach nur Zierrat sind. Die Dachform hat den Vorteil, dass die Sonne darauf immer nur eine kleinstmögliche Fläche bestrahlen kann. So bleiben die Häuser im Inneren stets angenehm temperiert.
Hin und wieder zirpt eine Grille. Sie sind träge, es ist noch zu früh.
Ich passiere den Pool und die Bungalowreihe, deren Balkonflügeltüren sich direkt in Richtung Strand öffnen lassen. Im Moment wohnt niemand darin.
Als ich den Strand erreiche, läuft ein braungebrannter Junge auf mich zu. Er ist vielleicht zehn, elf Jahre alt. Er zeigt mir seine weißen Zähne und mimt einen flirterfahrenen Erwachsenen. Mit dem Auge zwinkernd sagt er: »Salut! Française?«
Ich schüttele den Kopf und gehe ein paar Schritte weiter.
»Italiana?«
Ich schüttele den Kopf erneut. Er überlegt und lächelt dabei breit.
»Española?«
Das erstaunt mich. So viele spanische Touristen hat Tunesien eigentlich nicht. Dass er zuerst danach fragt, ob ich Französin oder Italienerin bin, kann ich verstehen, aber direkt danach kommen die meisten Touristen üblicherweise aus Deutschland.
»Pосси́йский?« Zweifellos, wenn es klingt wie »ruski«, muss es ›russisch‹ heißen. Ein kleines Sprachgenie. Ich gucke anerkennend, muss ihn aber wieder enttäuschen.
»English!« Jetzt ist er sich sicher, doch ich lache und hebe entschuldigend die Hände.
»Deutsche!!!«
»Du hast es erfasst, ich bin eine Deutsche.«
Er freut sich und hüpft ein bisschen.
»Du siehst nicht aus wie Deutsche.«
»Wie sieht denn eine Deutsche aus?«
»Nicht wie du. Strenger.«
»Aha.« Ich freue mich auch. Wenn ich nicht streng wirke, hält sich die Ähnlichkeit mit meiner Mutter in Grenzen. Gute Nachrichten weiß ich zu schätzen.
»Willst du reiten? Ich habe gutes Pferd. Ganz billig. Eine Stunde 60 Dinar.«
»60 Dinar ist nicht billig. Für das Geld kann ich von hier bis Tunis und zurück und dann noch mal nach Tunis mit dem Zug fahren – und mir dazu noch Orangensaft kaufen.«
»Macht nicht so viel Spaß. Aber gut. 50 Dinar.«
»Wo ist denn das Pferd?«
»Komm mit, ich zeige.«
»Ach nein, viel zu teuer.«
»Ich mache gute Preis. 40 Dinar. Ich lege drauf. Pferd muss hungern. Aber du nette Frau. Gib mir Hand drauf.«
»Für 40 Dinar verkaufst du mir das ganze Pferd.«
»Ja, ganze Pferd.« Er guckt mich irritiert an.
»Für immer. Nicht nur für eine Stunde.«
»Nein, für Stunde. Ganze Pferd, eine Stunde. Gute Geschäft.«
»Gutes Geschäft, wie? Pass auf. Hier meine Sandalen. Für 140 Dinar gehören sie dir.«
»140 Dinar. Viel zu viel!« Er winkt verächtlich ab, dreht sich halb um, bleibt aber stehen und dreht sich zurück.
Ich nutze sein Zögern und sage: »Na gut, 130 Dinar und eine Stunde auf deinem Pferd.«
»Sind gebraucht. Nicht neu.«
»Dein Pferd ist auch gebraucht.«
»10 Dinar und eine halbe Stunde auf Pferd.«
»125 Dinar und das ganze Pferd.«
»Du bist keine Deutsche! Was bist du? Mit dir man kann nicht handeln.«
»Tut mir leid, aber das ist mein letztes Angebot.«
»Ich erzähle überall, dass man mit dir kann nicht handeln.«
»Nein! Das kannst du doch nicht machen! Ruiniere nicht meinen Ruf!« Ich gucke entsetzt.
»Letztes Angebot: Sandalen gegen Pferd und 200 Dinar. Nach einer Stunde gibst du Sandalen zurück. Schlag ein. Geschäft. Gutes Geschäft.«
Ein älteres Paar schlendert am Wasser entlang. Der Kleine sieht sie und rennt, ohne sich zu verabschieden, zu ihnen hinüber. Die Runde zwischen uns hat er verloren, aber es macht ihm nichts. Neues Spiel, neues Glück. Ich stelle mir vor, wir würden daheim im Supermarkt so verhandeln, augenzwinkernd, miteinander spielend, einen Tanz aufführend. Das Leben wäre langsamer. Und schöner.
Ich suche mir einen Platz im Schatten einer schrägstehenden Palme und binde mir die Haare zusammen. Im Sand liegt ein kleines weißes Boot mit umlaufendem Rand in Rot und Blau und einem orangefarbenen Kiel. Überall blättert die Farbe ab. Seetang liegt in dunklen Bündeln verteilt auf dem Strand, wie abgespultes Band alter Tonbänder. Kleine, feine Muscheln glitzern in der Sonne, und Wellen mit winzigen Schaumkrönchen benetzen den Sand. Weiter landeinwärts stehen ein weißes Holzhaus zur Vermietung von Wasserfahrzeugen, das jetzt geschlossen ist, und einige Sonnenschirme mit Dächern aus getrockneten Palmblättern. Von beiden Motiven fertige ich erst Skizzen
Weitere Kostenlose Bücher