Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
ich auf den Treppenstufen Platz und sehe ihr zu. Sie sitzt auf den Hinterpfoten und hält mit beiden Vorderpfoten ihren Schwanz fest, der ihren Bemühungen ausweichen will. Im Hintergrund das blaue Diorama-Wasser, drum herum weiße Liegen und Arkaden. Ich mache ein Foto von der Katze.
Mein Herz ist wieder leicht wie eine Cirruswolke.
Im Foyer rufe ich meine Mails ab. Im Hintergrund läuft leise arabische Musik. Die Verbindung ist langsam. Eine Nachricht scheint sehr groß zu sein. Ich warte. Eine Frau mit langen blonden Haaren und wiegendem Gang ruft ihre kleine fünf- oder sechsjährige Tochter, die mit zarten, fliegenden, fast weißblonden Haaren und ausgebreiteten Ärmchen durch die Halle läuft: »Solveig, komm bitte her, wir wollen jetzt frühstücken!«
»Ich niihicht.«
»Okay, es gibt aber erst wieder zu Mittag was.«
»Guuhut.«
»Fein. Ich gehe dann essen. Bleib aber in der Nähe. Und wenn du doch noch Hunger kriegst, kommst du an unseren Tisch.« Sie klingt sehr streng und guckt ein bisschen gleichgültig. Trotzdem spüre ich die Liebe zu ihrem Kind. Sollte ich mal Kinder bekommen, hätte ich viel zu lernen, besonders, was das Loslassen angeht. Wahrscheinlich wäre ich nicht in der Lage, mein Kind einfach ohne Aufsicht frei herumlaufen zu lassen. Ich wäre überfürsorglich. Solveig lacht, fliegt weiter durch die Halle und macht dabei leise brummende Geräusche.
Jetzt sind alle Mails vollständig. Natürlich: dicke Schwänze, dicke Möpse, dünne Taillen. Das Übliche. Und eine Mail von Alejandro. Im Betreff nur ein grinsendes Smiley. Ich merke, dass ich lächle, und öffne die Nachricht. Sie besteht nur aus einem großen Foto. Es zeigt ein aufgeräumtes Atelier mit neuer Aufteilung. Die Sonne scheint durch die nun sauberen Fenster an der rechten Seite, und geradeaus kann man durch ein besonders großes auf einen weißblühenden Kirschbaum sehen. Neben diesem Fenster steht meine Staffelei, und vor dem Fenster macht sich ein neuer großer Arbeitstisch mit einigen meiner Malutensilien breit. Davor steht ein Regiestuhl aus Holz und Leinen. Auf der Rückenlehne prangt in großen Buchstaben Caterina . Ich wusste es doch – Alejandro ist einfach nur sehr aufmerksam. Er will, dass ich mich wohl fühle. Das ist doch nett. Mir wird ganz warm. Das Bild von meinem neuen Arbeitsplatz scheint meine Magenflüssigkeit und mein Blut wie mit einer Taschenheizung auf einen Klick erhitzt zu haben. Wohlig durchströmt es meinen Körper.
Ich lächle und bemerke den Kellner erst, als er neben mir steht.
Er sieht auf mich herunter und fragt höflich: »Vous désirez quelque chose à boire?«
»Oui, un jus d’orange, s’il vous plaît.« Bei meiner Orangensaftbestellung lächele ich einfach weiter. Zu sehr. Der Kellner dreht sich im Weggehen noch mal zu mir um.
»Vous êtes libre?«
Was? Er fragt, ob ich ein Buch bin? »Pardon?«
»Je vous tiens compagnie?«
Welche Kompanie? »Je ne comprends pas.«
»Es tu occupée?«
Wieso duzt der mich denn jetzt? Und wieso sollte ich besetzt sein? Ich bin doch keine Toilette! Empört schaue ich ihn an. Er wird rot, und endlich begreife ich.
»Oui!!!« Meine Haare wandeln sich zu den Schlangen der Medusa und schnappen mit ihren Giftzähnen nach der plumpen Anmache.
»Excusez-moi«, flüstert der Kellner und verschwindet so schnell, wie es ihm möglich ist. Ein Kollege bringt mir überaus vorsichtig den Orangensaft.
Nach dem Frühstück buche ich einen Jeep-Ausflug in die Sahara und erkundige mich nach den Bussen, die nach Houmt Souk und Zarzis fahren. Ich bin auf die Gassen von Houmt Souk gespannt, gerade weil die Touristen momentan so spärlich ins Land tröpfeln. Wenn meine Vermutung stimmt und tatsächlich so wenig los ist, hätte das den Vorteil, sehen zu können, welche Händler auch von den eigenen Landsleuten leben und welche üblicherweise vom billigen Kitsch für Touristen. Das ist zumindest soziologisch interessant. Für das wirtschaftliche Überleben der Menschen ist die Situation natürlich eine Katastrophe.
Ich erhalte die Abfahrtszeiten und ein paar gutgemeinte Ratschläge. Ich soll keinen tiefen Ausschnitt tragen und den Männern, wenn überhaupt, nur kurz direkt in die Augen sehen. Wenn es geht, die Haare zusammenbinden. Nein, ein Kopftuch brauche ich nicht.
Danach schlendere ich durch den kleinen, lichtdurchfluteten Gewölbebasar am Haupthaus, in dem alle Geschäfte geschlossen sind, zurück durch die große Gartenanlage mit den weißen
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