Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Hintergrund hektischen Straßenlärms und russischer Sprachfetzen sagt Hartmut: »Vertrau mir, Caterina. Ich rufe dich in einer halben Stunde zurück, und dann haben wir einen Plan.«
»Hm.«
»Ich lege jetzt auf.«
»Hm.«
»Bis gleich.«
»Hm.« Ich drücke die rote Taste und beschließe, dass es sinnvoller ist, selbst zu überlegen, was wir tun könnten. St. Petersburg … ich glaub, ich spinne.
»Rahime, meinst du, dein Mann sucht dich persönlich?«
»Ja, zusammen mit seinen Gorillas.«
»Kennst du den Code für den Safe, in dem dein Pass liegt?«
»Der hat keinen Code. Er wird mit einem Schlüssel geöffnet.«
»Und weißt du, wo der ist?«
»An einer Kette um Hamadis Hals.« Das Licht im Zimmer wird dunkler.
»Und natürlich gibt es keinen Zweitschlüssel«, sage ich und seufze.
»Stimmt.« Sie dreht ihre Haare und wirft sie über die Schulter.
Ohne Pass werde ich sie nicht so ohne weiteres nach Deutschland schaffen können. »Wie sind denn die Grenzkontrollen nach Syrien und Libyen?«
»Normalerweise streng. Im Moment weiß ich es nicht.«
Ich sehe mich im Zimmer um, doch da ist nichts, was mich inspirieren könnte. »Hast du noch irgendwelche Verwandten?«, frage ich.
»Nur meine Großmutter. Mein Großvater ist ja schon tot.«
»Und sie hatten keine weiteren Kinder?«
»Nein. Caterina, ich würde mich nicht hier bei dir verstecken, wenn ich irgendeine andere Möglichkeit gesehen hätte. Was hat dein Freund denn nun gesagt?«
»Dass er in einer halben Stunde anruft und dann einen Plan hat.«
»Dann lass uns doch einfach warten.«
Ich will Rahime nicht erklären, dass ich nicht mehr weiß, wie ich noch Vertrauen zusammenkratzen soll, nachdem ich gehört habe, dass Hartmut die Wahrheit über seinen Aufenthaltsort um schätzungsweise 2500 Kilometer gedehnt hat.
Ich überlege. Alejandros Familie lebt in Spanien. Ob die helfen würden? Da klingelt das Handy. Die halbe Stunde ist noch lange nicht um.
»Pass auf«, sagt Hartmut. »Khaled hat einen Plan. Wenn ihr zum Strand geht und euch rechts haltet, kommt eine Hotelanlage, das ist das Odyssee. Hier wartet ihr vor dem blauen Steg. Ein junger Mann namens Houssen wird euch abholen und durch das Odyssee ins Hotel Giktis führen. Das ist eine riesige vergammelte Anlage, die niemand überschauen kann. Im Grunde wie die Ruhr-Uni für Ferien. Die haben zurzeit fast gar keine Gäste, aber 335 Zimmer und Bungalows. Houssen bringt euch zu einem, in dem ihr sicher seid. Wir kommen so schnell wie möglich. Ganz fest versprochen!«
Hartmut klingt aufgekratzt und entschlossen. Wie früher, wenn er wieder ein Projekt hatte. Doch sein Enthusiasmus kann mein Misstrauen nicht so schnell zerstreuen.
»Und wenn ihr angekommen seid? Dann sitzen wir zu fünft in einem einsamen Bungalow? Und wer ist überhaupt Khaled?«
»Nein, wenn wir da sind, reisen wir ganz offiziell aus Tunesien aus.«
»Rahime hat keinen Pass.«
»Dann hat sie einen. Caterina, bitte vertraue mir.«
»…«
»Vertraust du mir, meine Kleine?« Hartmuts Stimme wird ganz samtig, als wolle er mich verführen und gleichzeitig trösten. Kein Wunder, dass Susanne das mag. Auf meine Frage, wer Khaled ist, werde ich heute keine Antwort mehr bekommen.
»Was bleibt mir anderes übrig?«, sage ich. Meine Stimme bleibt hart. Ich lege auf, gehe ins Bad, nehme meine restlichen Sachen und werfe sie in den Koffer.
»Wann hast du denn gepackt?«, fragt Rahime überrascht.
»Vorhin. Wir müssen weg. Jetzt.«
Rahime nickt und zieht sich an. Ich sehe in den Schränken und Schubladen nach, ob ich alles mitgenommen habe.
Da fällt mir noch etwas ein.
»Warte hier, Rahime, ich muss noch mein Zimmer zahlen. Sonst gibt es später Ärger bei der Ausreise. Mach das Licht aus.«
Ich gehe zur Rezeption und sage, dass ich am nächsten Morgen früh abreisen und daher schon jetzt zahlen möchte. Ich bemühe mich, locker zu wirken, aber innerlich sehe ich überall Verfolger.
Das weiße Brusthaar erspäht mich und steuert winkend auf mich zu. Er muss stehen bleiben, als ein eleganter Tunesier mit zwei bulligen Begleitern durch den Haupteingang kommt. Ich schlucke, nehme die Rechnung an mich und bedanke mich artig für den netten Aufenthalt. Dann kehre ich, so schnell ich kann, durch unbeleuchtete Ecken zu Rahime zurück.
»Schnell, komm, schnell.«
Ich greife nach meinem Koffer und meiner Tasche, und Rahime und ich rennen los zum Strand. Das Gelände ist nur spärlich beleuchtet, aber der Mond scheint
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