Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
»Der arme Bric! Der würde uns was über die Gebührentabelle der Gerichtsvollzieher erzählen, wenn wir ihn danach fragen würden. Oder alles über die Chinesische Mauer. Sicher kann er die längsten Brücken der Welt, die höchsten Gebäude, die Meerestiefen und die Höhe der Berge wie am Schnürchen aufzählen.«
»Und inzwischen verwelken seine Blumen. Außerdem hat er die ganze Zeit keine einzige Tüte mit Erdnüssen verkauft«, bemerkte Gérard. »Zwanzig Leute stehen um ihn rum und lauschen – und vor lauter Staunen vergessen sie seine Ware!«
»Das schlimmste ist, daß er selber sie vergißt. Regelmäßig zieht er nachmittags mit dem Großteil seiner Ware wieder ab«, sagte Superhirn ernst. »Ist es klug, sein Wissen so zu verschleudern? Noch dazu meist ungebeten und ungefragt. Er besitzt keinen Sonnenschirm, und sein Stand ist die reinste Bratküche für seine Blumen. Er interessiert sich für alles, lernt jeden Kalender auswendig. Er würde gern mal verreisen, er kennt ja die Philippinen oder Australien oder Ozeanien wie seine Hosentasche – von Karten und Beschreibungen her –, aber wenn er alle Leute von früh bis spät belehren muß, langt's nie auch nur für 'ne Busfahrt nach Paris!«
»Du bist gemein, Superhirn«, rief Tati. »Um dir mit Micha einen Witz zu machen, hast du den armen Bric vom Verkaufen abgehalten. Wenigstens hast du dazu beigetragen. Das war nicht fair.«
Der spindeldürre Junge warf dem Mädchen einen raschen Blick zu. »Nein«, gab er sofort zu. »Das war nicht fair!«
Er kehrte um und kaufte Herrn Bric neun gelbe Rosen ab. Die überreichte er Tati – sehr zum Vergnügen der anderen.
Doch Tati freute sich, obwohl die Blumen tatsächlich schon ziemlich welk waren. Henri kam nicht dazu, noch eine freche Bemerkung zu machen, denn Superhirn sagte in sonderbarem Ton – leise und scharf: »Seht mal! Was hat denn der Pudel?«
Der Hund sprang winselnd in die Höhe. Dann wieder stupste er seine Schnauze auf den Boden, als wollte er ins Pflaster beißen.
»Schnell! Nimm ihn hoch!« rief Henri der Schwester zu.
Das Tier blickte aus großen Augen qualvoll umher, als wolle es den Geschwistern und ihren Freunden etwas Schreckliches mitteilen.
Die Gefahr aus der Tiefe
Die Armbanduhr – das Signalgerät – an Superhirns Handgelenk vibrierte. Der Junge blickte aufs Zifferblatt.
»Erhöhte Aktivität«, las er. Dann schaltete er den Empfänger ein und hielt die »Uhr« ans Ohr.
»Mitteilung von Professor Charivari«, murmelte er.
Die Gruppe stand jetzt neben dem Karussell, das noch nicht in Betrieb war. Superhirn nahm die Uhr vom Ohr und drehte ein wenig am Knopf. Nun konnten die anderen Charivaris Stimme ebenfalls hören.
»Wir verzeichnen unerhörte Gedankenströme aus der Erde«, sagte der Professor. »Das Zentrum dieser Gehirnwellen-Ausstrahlung liegt direkt unter dem Hafen von Monton.«
»Ein Irrtum ist ausgeschlossen?« fragte Superhirn zurück. »Könnten Ihre Geräte vielleicht durch die vielen Feuerwehren, die Flugzeuge, die Schiffe – und das ganze Durcheinander in dieser Gegend – falsch anzeigen?«
Er wußte selber, daß die Frage töricht war. Charivaris Hirnwellen-Analysatoren waren hochspezielle Apparaturen, die nichts anderes vermerkten als Gedankenströme – in diesem Fall ganz bestimmte: nämlich die des innerirdischen Machthabers, des Ragamuffins, und seiner Mini-Spione, der Vavas, »Habt ihr irgendwelche Beobachtungen gemacht?« ertönte nun wieder Charivaris Stimme.
»Der Pudel benimmt sich so komisch«, meldete Superhirn rasch. Er äugte durch seine runden Brillengläser. »Übrigens – andere Hunde spielen auch verrückt.«
»Sag ihm, die Vögel flattern auf«, fuhr Henri hastig dazwischen. »Es ist wie vor einem Erdbeben. Das merken die Tiere immer vorher, wenn die Menschen überhaupt noch nichts ahnen.«
Superhirn gab die Nachricht weiter.
Charivari war einen Moment still. Dann sagte er: »Ja. Ein schlimmes Zeichen. Haltet die Augen auf und achtet auf meine Signale! Ich hole euch noch heute mit dem Giganto!«
»Noch heute?« rief Tati. »Ich wünschte, wir säßen längst im Erdschiff in Sicherheit!«
»Ziemlich ungemütlicher Gedanke, daß die Vavas da unter uns rumoren«, brummte Gérard. Prosper reckte sich seinen langen Hals nach Möwen aus. »Die dummen Biester wissen mehr als wir«, ärgerte er sich. »Das verstehe ich nicht!«
»Es ist ganz einfach«, sagte Henri. »Wir haben ja mal ein kleines, ziemlich harmloses Erdbeben mitgemacht.
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