Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
wieder. »Tatis Freundinnen und der Bruder Paul waren selber nicht da. Es kam nur der Vater mit einem Fahrer. Sehr liebenswürdige Menschen, auch der Fahrer. Und das silbergraue Auto, ich sage euch – einfach ein Traum! So was kannte ich nur aus dem Fernsehen! Und der Vater von Tatis Freundinnen hat ...«
Jetzt war's um Tatis Beherrschung geschehen. Sie verschluckte sich. Micha klopfte ihr auf den Rücken. Prosper häufte Tomatensalat auf seinen Teller, obwohl ihm der Appetit längst vergangen war.
Gérard biß sich krampfhaft auf die Lippen.
Nur Henri wahrte schweigend die Fassung.
Superhirn spielte das gespenstische Theater mit scheinbar steigender Laune weiter: »Sie sehen, Madame, wir sind platt! Zwei Männer in einem Klasse-Auto! Der Vater von Tatis Freundinnen und Michas Freund kommt extra her. Wahrscheinlich wollte er vorfühlen, ob wir da sind, wie? Es sollte eine Überraschung sein, und das haben Sie gemerkt! Deshalb haben Sie so lange damit hinterm Berg gehalten na, klar, haha ... !«
Die Gefährten, die Superhirn noch nie so geschwätzig erlebt hatten, saßen – außer Henri – wie vor den Kopf geschlagen.
Und nun schoß Superhirn die entscheidende Frage ab: »Hat dieser Vater seinen Namen genannt?«
»Ja«, rief die Wirtschafterin überrumpelt, »wie war der noch ... ? Aber das müßt ihr doch längst wissen!« Sie blickte auf Micha, der sich bereits vorhin zu seinem angeblichen Freund Paul bekannt hatte.
»Moment«, unterbrach Superhirn sie so zwingend, daß die brave Madame keine Zeit hatte, ihre Gedanken zu sammeln. Er ging jetzt aufs Ganze.
Dies wollte er wissen: Wer lauerte in der Gegend, um Henri, Tati, Micha, Prosper, Gérard. Und ihn an den Strand zu locken? Freund oder Feind, Professor Charivari oder dessen grausiger Gegenspieler, jenes unbekannte Wesen aus dem Inneren der Erde?
Rasch nahm Superhirn seinen Notizblock aus der Brusttasche, löste den Stift von der Magnetleiste und zeichnete das Gesicht des Professors – des mächtigen, väterlichen Freundes auf.
»Sah der Mann vielleicht so aus?« fragte er.
Alle hielten den Atem an.
Mit wenigen Strichen hatte Superhirn Charivaris Kopf samt Körper bis ungefähr zur Gürtellinie derart geübt skizziert, daß ihn jeder erkennen mußte, der ihn auch nur ein einziges Mal gesehen hatte. Dabei war er selbstverständlich darauf bedacht gewesen, den Mann nicht etwa in einem seiner technischen Spezialanzüge darzustellen.
Die Umrisse des Oberkörpers waren angedeutet, aber so, daß sie die Hagerkeit eindeutig verrieten. Selbst das knappe Bild dieser gütigen Persönlichkeit (die die Gefährten zuletzt als Giganto-Kommandanten gesehen hatten) war so erschreckend, wie der auf Menschenschutz und Menschenwohl eingeschworene Mann auch als lebendige Figur im ersten Moment auf andere wirkte: Der kahle Schädel, der an eine Salatgurke erinnerte ...
Der fast armlange, strippenförmige, tiefschwarze Kinnbart im sonst glattrasierten, hohlwangigen Gesicht ... Ach, was hieß: im Gesicht! Der Bart war wie ein dünnes Fadenbündel »unter dem Gesicht« – nämlich am Kinn – gewissermaßen »von Natur aus befestigt«. Er wirkte wie der Seidenschwanz eines fremdartigen Tieres, der sich dorthin »verirrt« hatte ... Die schmalen Augen waren fast schwarz. Den typischen Fieberglanz, der Charivaris Blicke so zwingend und rätselhaft machte, konnte Superhirn allerdings nicht in seiner Zeichnung ausdrücken. Dafür aber die schwarzen Brauen, die der Eigenartigkeit des Bartes entsprachen ... Madame Claire starrte verständnislos auf das Blatt.
»Woher willst du denn den Vater von Michas und Tatis Mitschülern kennen?« wunderte sie sich. Doch dann vergaß sie den Anlaß und sah sich Superhirns Skizze genauer an. Angesichts des gurkenförmigen Kahlschädels mit dem schwarzen Strippenbart mußte sie lachen.
»Du willst wohl wieder einen deiner Scherze mit mir machen, he?« Die gute Madame war an Superhirns spaßige Einfälle gewöhnt. Daß es sich hier um grauenhaften Ernst handelte, ahnte sie nicht. »Nein ... !« Sie lachte noch immer. »So sah der Besuch nicht aus ... Wahrhaftig nicht ... !«
Auch Superhirn lachte, als hätte er die Wirtschafterin nur an der Nase herumführen wollen. Er konnte sich gut verstellen. Nicht aber vor Henri, Tati, Gérard und Prosper. Allenfalls durchschaute ihn Micha nicht, der ja der jüngste war. Und Gérard und Prosper mochten ihm auch gelegentlich auf den Leim gehen. Vor Henri und Tati galt keine »Maskerade«. Besonders
Weitere Kostenlose Bücher