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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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unheildrohend, blies ihnen entgegen, kühlte den Schweiß, machte sie aber auch heftig schauern. Das Licht hinter ihnen schwand. Der Tunnel vor ihnen wollte kein Ende nehmen. Der Wind wurde stärker, schwoll an und ab wie das schwere Atmen eines Schläfers in Alpträumen. Wenn der Wind Sturmesstärke erreichte, würde er sie wie Treibgut in den Gang zurückblasen, gegen Wände und Decke schleudern, bis ihre Leiber mit zerbrochenen Knochen ins Freie hinausgespien wurden …
    Diese Vorstellung – zerbrochene Leiber im Sturm – kam ihr irgendwie vertraut vor – ein kurzer Stich verzweifelten Schmerzes –, aber es ging rasch vorbei. Nur so eine irrationale Angst, dachte sie.
    Ein bitterkalter Windstoß warf sie alle drei zurück. Moir schrie auf, als die Fackel erlosch und sie plötzlich im Stockfinstern standen.
    „Es kommt wieder“, kreischte das Mädchen.
    „Sei still“, schrie Darren, „und lauf!“
    Elspeth, im Moment starr vor Ratlosigkeit, hörte seine Schritte in der Ferne verhallen. Sie stieß sich von der Wand ab und rannte hinterher. Sie stolperte über Moir, die zitternd am Boden hockte, half dem Mädchen auf und zog sie mit sich.
    „Komm doch zurück“, flehte Moir, „das hat doch keinen Zweck …“
    „Los, kommt doch!“ schrie Darren, schon ziemlich weit weg.
    „Wir kommen!“ rief Elspeth. „Such die Abzweigung!“
    Der Wind wurde nicht stärker, was Elspeth wunderte. Es war ein mächtiger Wind, sie mußten in ihrem schnellen Lauf gegen ihn ankämpfen; doch sie hatte erwartet, er würde immer stärker werden. Als er jedoch immer gleich blieb, war sie zwar verwirrt, aber ungeheuer erleichtert.
    Minuten vergingen. Ihre Beine schmerzten vor Anstrengung, aber langsam wurden Moirs Schritte sicherer, und schließlich konnte sie, obwohl immer noch an Elspeths Arm, aus eigener Kraft laufen.
    Plötzlich erscholl vor ihnen ein Dröhnen, wie der Ruf eines wütenden Tieres: die Stimme des wahren Windes. Eine Schockwelle, die sie bis auf die Knochen durchkältete, fuhr Elspeth durch den Leib, so daß ihr vor Angst auf einmal ganz übel wurde. Und doch rannte sie weiter, zerrte Moir mit, ohne auf ihre Schmerzens- und Angstschreie zu achten. Das Heulen, unsichtbar in der totalen Finsternis, kam ihnen immer näher …
    Eine Sekunde nur, bevor es war, als würden sie von Gigantenfüßen umgerannt und von dem Entgegenrasenden zu Tode getrampelt, zogen starke Hände Elspeth aus dem Gang in eine Nische. Moir brach zusammen, und Elspeth fühlte, wie der Körper des Mädchens ebenfalls in die Nische gezerrt wurde. Also mußte Darren im letzten Moment die rettende Höhle gefunden haben.
    Doch es dauerte noch ein paar Sekunden, bis der Sturm in voller Stärke an ihnen vorbei ins Freie fuhr; das Donnerbrausen wollte nicht aufhören, es tastete mit suchenden Fingern in die Nische hinein, um diese elenden Menschlein aus ihrem sicheren Schlupfloch zu kitzeln …
    Unvermittelt war es vorbei und hinterließ eine betäubende Stille. In ihren Ohren läutete es, ihre Leiber schauerten, ihre Schädel waren voller Echo und Widerhall und Geschrei und Keuchen – doch es war alles nur Einbildung …
    Moir tastete in der Finsternis nach Elspeth.
    „Knappe Sache“, bemerkte die Jenseitlerin mit einem Grinsen, das niemand sehen konnte. „Ich glaube, so etwas Aufregendes habe ich noch nie im Leben mitgemacht … aber so aus dem hohlen Bauch kann ich mich nicht erinnern … das soll ein Scherz sein. Doch den wird wohl niemand verstehen … und wenn … komisch ist er sowieso nicht.“
    Dann starrte sie eine Zeitlang in die Finsternis und fragte schließlich: „Na, Darren – wohin jetzt?“
    Aber aus der Gegend, wo sie den jungen Mann vermutete, kam kein Laut.
    „Darren?“
    „Da kommt jemand aus dem Tunnel – horch mal!“ keuchte Moir.
    Schritte auf dem nassen Stein, schmerzvolles Atmen drangen an ihr Ohr; sie trat hinaus in den Gang und starrte in die Schwärze. „Wer ist da?“
    „Ich bin’s.“ Darrens Stimme. Es klang, als sei er erheblich verletzt.
    „Wo warst du denn? Warum bist du hinausgegangen?“
    „Wo hinaus?“
    „Hier aus der Höhle. Was ist los mit dir, Junge?“
    „Ich habe mich an einem Felsvorsprung festgeklammert, das ist los mit mir“, schrie er wütend. Dann fiel er schwer gegen Elspeth; sie stolperte, als sie ihn halten wollte. Sie zerrte seinen plötzlich schlaff gewordenen Körper und legte ihn hin, tastete nach seinem Gesicht und fühlte dickes Blut fast überall in seiner Körperbehaarung.

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