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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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„Heiliges tao – was hast du denn angestellt, Darren?“
    „Ich konnte nirgends unterkriechen“, keuchte er. „Als der Wind kam, wurde ich rückwärts gegen einen Felsvorsprung geblasen, und da … da hielt ich mich eben fest. Ich bin müde. Wirklich.“
    „Was denn, du hast die Nische nicht gefunden?“ fragte sie das unsichtbare Gesicht. Ihre Miene (wenn sie jemand gesehen hätte) war völlig ausdruckslos.
    „Ich muß sie verfehlt haben. Ich bin um die … Ich muß jetzt ein bißchen schlafen.“
    „Ja – leg dich lang und mach die Augen zu.“
    Elspeth hockte sich wieder hin und starrte ins Nichts. Wenn nicht Darren – wer war es gewesen? Wer hatte in dieser Nische gekauert und sie keuchend, schreiend, in panischer Angst heranrennen hören und Mitleid mit ihnen gehabt?
    „Moir?“
    „Hier bin ich. Elspeth, an der Hinterwand ist ein Gang.“
    Sie kroch in die Richtung von Moirs Stimme. Ja, gewiß, das war nicht nur eine flache Nische in der Wand, das war der Anfang eines Tunnels, der im Winkel vom Hauptgang abzweigte.
    Wer immer sie gerettet haben mochte, hatte sich bestimmt durch diesen Gang entfernt; er mußte hier Bescheid wissen. Es kam Elspeth gar nicht in den Sinn, daran zu zweifeln. Instinktiv wußte sie, daß sie diesen Weg nehmen mußten.
    Darrens Wunden waren zahlreich, aber nicht tief, und obwohl er beinahe am ganzen Oberkörper zerschunden war, wollte er sich seine offensichtlich großen Schmerzen nicht anmerken lassen, als sei es ein Zeichen von Schwäche, zuzugeben, daß man Schmerzen hatte. Nach ein bis zwei Stunden, in denen sie ihre spärlichen Nahrungsmittel aufaßen und sich in dem tröpfelnden Rinnsal des Orakeltunnels wuschen und erfrischten, krochen sie den sargähnlichen Gang entlang, der sie von der Gefahr wegführte.
    Elspeth hatte das Zeitgefühl verloren. Sie krochen und krochen, stundenlang, wie es ihr vorkam. Endlich gelangten sie unter Schreien der Freude und Erleichterung ans Tageslicht, doch da sah sie ein, daß sie gar nicht so sehr lange in dem engen Felsentunnel gewesen sein konnten.
    Sie waren am Fuße einer steilen Klippe herausgekommen, einer moosigen Felswand, die etwa fünfzig Fuß hoch über ihre Köpfe anstieg. Sie befanden sich auf einem Hang, der, uneben und voller Gestrüpp, hinab in einen dichten Bewuchs verlief, welcher einen großen Teil des Gesichtsfeldes füllte. Doch in der Ferne wurde es lichter, und dort erhob sich der crog wie ein braungrünes Kastell und beherrschte durch seine klaren Linien das sonst ungeordnete Land. Das Schiff war nicht mehr da, was Elspeth ruhig und heiter stimmte.
    Darrens Wunden sahen viel schlimmer aus als sie waren; er war über und über blutverschmiert und -verkrustet, so daß Elspeth jedesmal zusammenfuhr, wenn sie ihn ansah. Jetzt untersuchten sie seine Verletzungen gründlicher und verbanden einen besonders tiefen Riß am linken Arm mit einem Streifen Stoff, den sie von Elspeths Hose schnitten. Sie selbst war scheußlich verdreckt, und ihr thermostatischer Overall, vom Messer und von den Steinen gleichermaßen zerfetzt, war nicht viel mehr als funktionslose Lumpen. Sie versuchten, die losen Stücke zusammenzuheften, damit sie etwas Schutz hätte, doch die Wärme war weg – nur eine gewisse Intimbedeckung gewährte er allenfalls –, es war eigentlich sinnlos, diesen Fetzen am Leibe zu behalten.
    „Vorwärts, weiter“, rief sie schließlich und wartete, daß Darren die Spitze nähme. Er sah kurz an der steilen Klippe hoch, doch Elspeth schüttelte den Kopf. „Das geht nicht, Darren. Wir nehmen den langen Weg.“
    Verächtlich zuckte er die Achseln, doch Elspeth wußte, daß er in seinem gegenwärtigen Zustand gar nicht klettern konnte. Sie ging hinter ihm her, am Fuß der Klippe entlang und den steilen Hang empor, der sie, langsam zwar und unter Schmerzen, zum Hochland hinführte. Moir stolperte als letzte hinterher, stöhnend und klagend, doch sie hielt sich gut. Stets blieb sie hinten, ohne sich an der Diskussion über Weg und Ziel zu beteiligen. Immer starrte sie ihren Bruder an, als sähe sie ihn auf ganz besondere Weise. Sie sprach ihn nie an, und er sprach auch nie mit ihr. Sie sprachen voneinander, doch die direkte Anrede war ein Luxus, den sie sich beide versagten. Das hing wohl noch mit dem Zweikampf zusammen. Manchmal machte diese Feindseligkeit Elspeth traurig, dann ärgerte sie sich auch darüber, weil sie sie so albern fand. Doch solange sie dabei war, waren die beiden Aerani zu einer gewissen

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