Erdwind
von der durch Tragsteine gestützten Kammer in die kleine Lichtung hinaus.
Kalte Luft, der scharfe Geruch moosiger Vegetation – … kein Laut … kein Verfolger hinter ihnen.
Moir brach in Tränen aus, und Elspeth, an den trockenen Waldboden geschmiegt, schmutzig und zerkratzt von der mühseligen Flucht, schlang tröstend den Arm um das Mädchen.
„Du hattest doch versprochen, daß du still sein würdest“, schluchzte Moir.
„Ja – es tut mir leid, wirklich. Ich bekam eben so … so eine Wut.“
Moir wischte sich die Augen; der Pelz auf ihrem Handrücken war ganz strähnig vor Tränen. Sie hörte auf zu weinen, versuchte, die nassen Haare mit den Fingern zu trocknen, rieb sie heftig. Auf einmal sah sie zu Elspeth hoch, lächelte und schüttelte den Kopf.
„Ich habe uns wohl ganz schön Angst gemacht“, sagte Elspeth.
Moir nickte heftig. Sie lachten beide, doch Elspeth war weniger nach Lachen als nach Weinen zumute.
Diese Schweine!
Was bildeten die sich eigentlich ein? Sie würden alles kaputtmachen, ihre ganze Arbeit zunichte machen, das Aerani-Volk zunichte machen … doch wie sollte sie diese Leute davon überzeugen, daß das falsch war? Unbedingt mußte sie ihnen klarmachen, wie zerstörerisch ihr Angebot war.
Doch sie erkannte bei den Fremden die Symptome jenes Gefühls, das die stärksten Motive schafft – der Angst. Schiere Angst erfüllte diese Männer und Frauen, bis tief in die letzte Zelle ihrer Hirne, die letzte Faser ihrer Muskeln. Die Angst vor der Vergeltung. Als junges Mädchen, im Zentrum der Föderation, hatte Elspeth es kommen sehen, in einer Welt, wo das alte Regime bereits eine Minderheit war und die Sicherheitsbehörden praktisch aufgehört hatten, sich um die aufrührerischen Umtriebe der revolutionären Gruppen zu kümmern … es war schon selbstverständlich, daß die Alten weg mußten, die alte Ordnung einen Tritt bekam, das Zentrum der Macht von der kaputten alten Erde zu den neuen Hochburgen der Zivilisation um den Planeten Elektra verlegt werden mußte …
Elspeth hatte es kommen sehen, hatte es geschehen sehen (die Raketen über der Stammes-Stadt … und innerhalb eines Jahres war die Stammes-Stadt nur noch eine riesige Ruine, Jahrhunderte an Kultur und Kultus von der neuen Intoleranz zu Boden getrampelt), und tief im Innern hatte sie keine Angst gehabt, hatte es nicht bedauert. Allerdings hatte sie diese Entwicklung, diese Wendung nicht erwartet.
„Alle sind sie so böse“, sagte Moir; „ich mag das gar nicht mitansehen. Wir haben viel zu viele Duelle, zu viele Menschen werden umgebracht. Ich mag keinen Streit.“ Sie schauerte. Es gab, wie Elspeth wußte, keine Familie, die nicht in der jüngsten Vergangenheit einen oder mehrere Angehörige in blutigen, mörderischen Ehrenhändeln verloren hätte. An den Innenwänden der inneren Düne gab es Hunderte von Nischen in der Erde … jede dieser Nischen barg einen Kopf, abgehauen der Ehre wegen, mit diesem Begräbnis geehrt, damit er das Leben in der Erdburg von seinem bevorzugten Platz noch im Tode mitansehen konnte. Es gab wenige Aerani, die nicht die Hoffnung hegten, eines Tages in einem Ehrenhandel zu fallen – das war ihnen lieber als der Alterstod, nach dem sie als Asche unter den Schlafstellen ihrer Kinder enden würden.
„Kannst du ihnen das wirklich verdenken?“
„Sogar die Ungenn werden böse“, erwiderte Moir und sah zu Elspeth hoch. „Die dürften doch nicht böse sein – aber sie sind es doch.“
„Kannst du es ihnen verdenken?“ wiederholte Elspeth. Merkwürdig, wie sie angesichts der Betrübnis, der Angst dieses kleinen Mädchens ruhiger geworden war.
„Ich habe nicht verstanden, was da gesprochen wurde“, murmelte Moir. „Ich habe die Worte nicht verstanden. Sie hatten keinen Sinn …“
„Ich glaube, nur sehr wenige unter den Erwachsenen in diesem Kreise haben auch nur einen Teil dieser Worte verstanden“, tröstete Elspeth. „Aber sie haben ganz gut begriffen, daß sie Spione bei sich aufnehmen sollen.“
Sprachlich hatten sie natürlich alles verstanden – die leichte Abweichung des Inter-Ling, das die Besucher höchstwahrscheinlich gesprochen hatten, von der Aerani-Sprache bot keine Schwierigkeiten –, aber es war ungeheuer schwierig, das, was erklärt werden sollte, in einer Sprache zu erklären, die so viele Wörter verloren hatte – etwa das Wort ‚Mond’, sinnlos für eine Welt, die keinen solchen Satelliten mehr besaß, und zweifellos rasch vergessen –, und so
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