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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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sollen Sie starten! Ich fordere Sie auf, Schiffs-Meister, die Flagge zu hissen und auf Orbit zu gehen. Sehen Sie sich den Planeten von außen an!“
    „Ich habe einen Auftrag …“
    „Schiffs-Meister!“ unterbrach sie ihn scharf. Stellte sich der Mann wirklich so dumm? „Sehen Sie – die Kolonie auf dem Aeran ist keine gewöhnliche Wald- und Wiesenkolonie. Oder? Sie können das nicht abstreiten.“
    „Ich streite es auch gar nicht ab. Die Kolonie ist verrückt und provokant.“
    „Sie hat sich zu einer monolithischen Lebensform zurückentwickelt, oder? Und in vieler Hinsicht bleibt sie sogar noch darunter. Und damit ist sie zu einem Unikum im gesamten kartographierten Raum geworden. Stimmt’s?“
    „Genau, ein Unikum – ja, das ist genau das richtige Wort für den Aeran.“
    „Na also!“ erwiderte sie laut.
    „Na also – was?“ entgegnete er ebenso laut. „Warum ich dieses Volk nicht in Frieden lasse? Warum ich diese primitiven Aeraner nicht weiter in Ruhe ihre Knochen schnitzen lasse? Warum ich dieses Volk sich nicht auf seine Art entwickeln lasse, ohne daß ihnen ein zivilisierter Mensch dabei über die Schulter sieht? War das die Frage?“
    „Das war die Frage. Das wäre vernünftig und human.“
    „Das sagt sich sehr leicht, nicht war? Aber Sie, meine süße Mueller, sprechen aus egoistischen Motiven, während ich aus Verantwortung handeln muß.“
    „Egoistisch! Verantwortung! Verantwortung wem gegenüber? Der Elektra? Scheiß auf die Elektra! Verantwortung haben Sie nur gegenüber diesen Kolonisten hinter dem Erdwall da!“
    „Quatsch!“ stieß er wütend hervor. „Ich muß an meine Mannschaft denken. Wissen Sie, wie das Fehlschlagen einer Mission bestraft wird?“
    „Aber das wäre doch kein Fehlschlagen!“ protestierte sie.
    „Natürlich wäre es ein Fehlschlagen.“
    „Die von der Elektra würden es verstehen!“
    „Nichts würden sie verstehen. Wissen Sie, was die Strafe dafür ist?“
    „Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Diese Leute hier sind wichtiger als jede … jede Strafe. Sie haben das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Und durch sorgfältige Beobachtung können wir mehr über ihre Lebensweise lernen, als wenn wir tausend Jahre in der Vergangenheit herumbuddeln. Es kann ganz leicht passieren, daß Sie das alles kaputtmachen.“
    „Wir können etwas lernen? Oder Sie?“ lächelte er höhnisch.
    „Was ich lerne, erfahren andere auch.“
    „Ja, aber in erster Linie Elspeth Mueller, nicht wahr? Nicht um ihrer selbst willen soll ich diese Leute in Ruhe lassen, sondern damit Sie sich durch Ihre Entdeckungen über den primitiven Menschen wissenschaftlichen Ruhm verschaffen!“
    „Nichts dergleichen, Sie Schuft! Die sind nicht einfach primitiv; sie sind auf ganz besondere Weise primitiv. Sehen Sie sich doch nur mal ihre Symbole an, wenn Sie mir nicht glauben!“
    „Für mich ist primitiv gleich primitiv.“
    „Dann versuchen Sie doch mal, etwas anderes zu lesen als Comics! Das sind ganz ungewöhnliche Menschen, völlig einzigartig. Das haben Sie ja schon selbst zugegeben. Das Schiff, die Mission, alles an Ihnen bedroht das Leben dieser Leute, ist eine Bedrohung für alles, was sie sind und sein könnten, und eine Bedrohung meiner potentiellen wissenschaftlichen Forschungen!“
    „Purer Egoismus!“ triumphierte er. „Ich wußte es doch! Glauben Sie tatsächlich, ich setze das Leben der gesamten Besatzung aufs Spiel, bloß wegen der paar Kratzer auf Steinen? O ja, ich habe die Symbole gesehen, von denen Sie so fasziniert sind. Kratzer, magische Zeichen, sinnlos außer für einen abergläubischen, von Schamanen beherrschten Mob.“
    „Und Sie werden von Ihrem ching beherrscht – ist das kein Aberglauben?“
    Gorstein lachte. „Im Gegenteil, Mueller. Genau im Gegenteil. Das ching, die Karten – all dieses Zeug, das der liebe Peter Ashka benutzt –, alles abergläubischer Unsinn. Ich habe das schon längst gespürt, und jetzt bin ich ganz sicher. Seit der Landung auf dem Aeran hat sich bei mir ein gewisser Wechsel vollzogen, als ob mir der Planet aufs Hirn geklopft hätte: Hör zu, Karl, entweder so oder so – entweder richte dich nach dem ching, oder laß es bleiben, aber mach nicht immer halb so und halb so. Das ching, dieses verdammte Buch, ist ein so eingewurzelter Bestandteil unseres Lebens! Es ist so schwer, davon loszukommen, und so erfrischend, die Trennung endlich doch vollzogen zu haben. Es ist purer Unsinn. Ich sehe es jetzt. Blinder Glaube,

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