Erdwind
vielleicht nur in geringem Maße, schädigend. Sie wußte das bereits, und es hatte ihr erheblichen Kummer gemacht, und natürlich aus diesem Grunde hatte sie sich solche Mühe gegeben, sich in die prähistorische Kultur des Aeran zu integrieren. Tatsache blieb jedoch, daß sie kein Recht hatte, anderen zu predigen, sie sollten eine isolierte Kultur in Ruhe lassen, wenn sie selbst diese Kultur, diese Gesellschaft wissentlich durchsiebte, um möglichst viele Fakten zu sammeln.
Doch ihre momentanen Zweifel schwanden wieder. Schließlich, dachte sie bitter, habe ich die Aerani in keiner Weise dazu veranlaßt, ihre Ansicht vom Universum anzuzweifeln oder zu ändern. Ich habe nicht versucht, sie zu irgendeiner Religion zu bekehren oder ihnen beizubringen, wie man Metall oder Schußwaffen macht. Ich war nur eine Fremde, eine bizarre Fremde, gewiß; aber Fremde kann man immer tolerieren, ohne daß es gleich Veränderungen geben muß. Dieses Schiff und Gorsteins totale Sturheit waren keineswegs ebenso harmlos.
„Sie mögen recht haben“, sagte sie bitter, „aber ich habe versucht, so behutsam wie irgend möglich vorzugehen, und das ist bei Ihnen nicht der Fall. Ich habe meine Raumfähre versteckt, Sie Ihr Schiff nicht. Ich habe nichts von anderen Welten gesagt …“ Das stimmte nicht, erinnerte sie sich schuldbewußt. Sie hatte eine ganze Menge gesagt, ehe sie merkte, daß dies ein Fehler war. „Nichts von Wichtigkeit jedenfalls. Können Sie das gleiche behaupten? Kann das Ihr eigener Rationalist? Er hat Orakel ausgetauscht – ist das Nichteinmischung?“
Die Arroganz in Gorsteins Miene trocknete ein. Er starrte sie leer an, fast so, als wüßte er nicht, ob er ihr glauben solle oder nicht. „Das habe ich nicht gewußt. Wann …? Wann haben sie diese Orakel ausgetauscht?“
„Vor ein paar Stunden. Es hat ein Duell gegeben – um die Frage, ob Sie umgebracht werden sollen oder nicht. Die Gemäßigten haben gewonnen; aber es gibt eine Menge sehr gemischter Gefühle hinter diesen Wällen.“
„Wir haben gewissermaßen … den Strom des Lebens unterbrochen. Das muß ich zugeben.“
Endlich!
„Aber nicht unwiderruflich, Schiffs-Meister. Starten Sie jetzt, dann werden Sie zum Mythos, und die Aerani werden weitermachen wie seit vierhundert Jahren.“
Immer noch schwieg Gorstein nachdenklich. Elspeth erriet, wohin sein Gedankengang führte.
„Haben die Kolonisten ihren Seher wegen der Monitoren befragt?“
„Ja“, erwiderte sie. „Der Seher hat gesagt: annehmen. Aber kümmern Sie sich nicht darum … bitte kümmern …“
„Werden sich die Kolonisten danach richten?“
„Ich weiß nicht. Ich glaube ja, obgleich es mehrere Familien gibt, die gegen den Seher und sein Orakel sind.“
Gorstein lächelte. Er lehnte sich auf das Lukenbrett. An Schultern und Rücken traten die Muskeln hervor und glätteten sich wieder – ein Zeichen innerer Spannung, glaubte Elspeth. „Das heißt also wohl, die Aerani sind ihrem Aberglauben so blind ergeben, daß sie selbst die Befehle eines unbegreiflichen, vom Himmel gefallenen Silberballes befolgen werden.“ Wieder sah er Elspeth an. „Sie werden es nicht verstehen, sie werden eine Todesangst davor haben, es wird ihre Lebensweise auf immer verändern, aber sie werden tun, was das Orakel sagt. Ja?“
„Ja. Sie dürfen es nicht dazu kommen lassen.“
„Ich wünschte, es ließe sich irgendwie vermeiden, Mueller.“
„Dann setzen Sie ihnen doch einfach keine Monitoren ein. Was wäre leichter, als nichts zu tun?“
„So leicht ist das nun wieder nicht.“ Gorstein schüttelte den Kopf. Er sah beinahe deprimiert aus. „Wenn sie jetzt wirklich glauben, es sei richtig, die Monitoren anzunehmen, und wir implantieren sie ihnen nicht – was dann? Dann hat das Orakel gesagt, es soll etwas getan werden, und es wird nicht getan. Das wäre vielleicht noch schädlicher, meinen Sie nicht?“
„Nein! Der Seher könnte das wegrationalisieren.“ Daraufhin lachte Gorstein laut und bitter. „Natürlich. Wie lax von mir, daß ich unsere wunderbaren Schamanen und ihre unfehlbaren Erklärungs- und Rationalisierungskünste vergessen habe! Wissen Sie, Mueller, daran ist etwas sehr Schäbiges. Diese Tatsache ist mir klargeworden, nachdem ich von diesen Dingen abgekommen bin. Früher war es Gott, und der wurde dann durch das tao ersetzt, was vermutlich schon immer Gott gewesen ist. Haben Sie mal was über Gott gelesen, Mueller? Man konnte ihm Opfer bringen; und wenn Gott den Wunsch
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