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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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nützlich für blinde Gläubige. Aber ich bin nicht mehr blind, meine Süße! Ich sehe das große, helle Licht der Wahrheit! Versuchen Sie’s gelegentlich auch mal. Es kräftigt ungemein.“
    „Dann ist dieses ganze Gerede, daß ich Sie töten will … was eigentlich – ein Scherz?“
    „Kein Scherz. Na ja, ein privater Scherz vielleicht – doch, nein, ich meine es todernst.“
    „Na, Sie sind vielleicht ein widersprüchlicher Mensch! Glauben Sie daran, was das ching Ihnen gesagt hat, oder glauben Sie nicht daran?“
    Er zögerte mit der Antwort.
    „Ich habe den Konflikt gespürt, der vor uns beiden liegt. Irgendwo tief innen habe ich ihn gespürt, Mueller. Was braucht ein Mann mehr, um sein Leben richtig zu leben? Ich habe das ching nur um des Fragens willen befragt. Natürlich hat es mir die Antwort gegeben, die ich wollte. Tut es das nicht immer? Es steckt so viel Zweideutigkeit in dem verdammten kleinen Buch, doch wenn man einen guten Rationalisten hat, rückt alles so hübsch ordentlich zurecht. Aber bedeuten tut es überhaupt nichts. Man hat ja immer einen gewissen Sinn für sein Schicksal; und wie das Orakel auch antwortet, es wird denjenigen Sinn herausarbeiten, den man selbst hören will, wenn man lange genug darüber nachdenkt.“
    „Sie haben offenbar keine Ahnung vom Wert des ching. Aber das ist ja auch kaum wichtig, nicht wahr? Ich spüre ebenfalls einen Konflikt, Schiffs-Meister. Ich spüre ihn, weil Sie ihn spüren; aber nur weil Ihnen offenbar ganz egal ist, ob eine Kultur isoliert lebt oder nicht, auch wenn diese Kultur nur dann bestehen kann, wenn sie isoliert bleiben kann, wenn sie auch wirklich isoliert bleibt.“
    „Es ist mir nicht egal, Mueller. Im Gegenteil. Es interessiert mich so sehr, daß ich begreife, daß Sie mit Ihrem Gerede eine größere Bedrohung für die Aerani sind als tausend Schiffe, die am Sternhimmel vorbeiziehen.“
    „Wieso? Ich bin hier integriert. Ich bin eine von ihnen.“
    „Das sind Sie eben nicht. Das wissen Sie selbst, und die Aerani wissen es auch. Sie spielen herum, Mueller. Ich kenne Ihren Typ – ihr spielt euer Spielchen, ihr versteckt euch hinter hohen Idealen und windigen Rationalismen, aber allesamt wollt ihr bloß spielen, und die Wirklichkeit kümmert euch einen Dreck. Sie spielen das Spiel ‚Verständnis der Primitiven und ihrer Symbolik’! Und was ist, wenn Sie fertig sind mit Ihrem Spielchen? Was dann? Es veröffentlichen? Warum sollten Sie es sonst gespielt haben? Dann wissen die Leute etwas, und dann werden sie neugierig und wollen es selber sehen. Sie sind eine Bedrohung, Mueller, eine größere als ich. Sie regen sich darüber auf, daß es den Aerani schaden könnte, wenn sie dieses Schiff sehen. Ich glaube nicht, daß wir nur halb soviel Schaden anrichten können, wie Sie bereits angerichtet haben.“
    Wild klopfte Elspeths Herz vor Wut und Erregung; doch ihre ganze Feindseligkeit war auf einmal weg. Sie starrte den Schiffs-Meister an, der plötzlich ganz ruhig geworden war. Sekundenlang schwangen seine Wort wie ein Echo in ihrem Kopfe, dann verblaßten sie nach und nah. Sie hörte nur noch das Zischen des Luftzirkulators.
    Es war zum Heulen, aber Tatsache war, daß es zum großen Teil stimmte. Zwar trieb sie kein Spiel im Sinne Gorsteins. Sie hatte nicht die Absicht, ihre aeranischen Funde zu veröffentlichen – nur wegen der Selbstbefriedigung ihres eigenen Wissensdurstes war sie hier. Und selbst dieser Wunsch nach Wissen könnte schnell verblassen, wenn nicht dieses eine Symbol wäre: der Erdwind.
    Diese eine verzwickt-schöne Steinzeichnung reizte sie. Sie gehörte beiden Kulturen an, der alten und der neuen, und war doch etwas Außerhalb-Stehendes – und wenn sie jetzt und hier ihre Mission auf dem Aeran definieren sollte: nicht mehr und nicht weniger als herauszubekommen, was dieses Symbol der Aerani bedeutete, was es in sich einschloß, was es widerspiegelte. Da zwischen Erdwind und Orakel eine enge Verbindung bestand, konnte das eine hochinteressante Entdeckung werden. Und das war tatsächlich egoistisch, und vielleicht – wenn sie der Wahrheit ins Gesicht sah – war es der gleiche Egoismus, der sie an diesem Schiff und seinem schrecklichen Auftrag am meisten erzürnte. Doch sie fühlte tatsächlich etwas für den Aeran, und sie fühlte sehr stark, daß es unrecht war, dem Volk des crog eine Technologie (die Monitoren) aufzuzwingen. Und – damit hatte Gorstein auch wieder recht – ihr Einfluß war tatsächlich, wenn auch

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