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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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kennen unsere Schwächen und unsere Stärken, wir brauchen sie weder zu verbergen noch damit anzugeben, das ist nicht nötig. Wir leben alle in einer Harmonie, die Sie niemals kennengelernt haben – in Harmonie mit dem tao und in Harmonie mit unserem Selbst.“
    „Aber trotzdem ist Ihr Leben eine Lüge. Machen Sie, daß Sie hier rauskommen!“
    „Ich gehe. Ich gehe schon.“ Sie nahm ihre Jacke auf, einen zerfetzten Lappen, der weder etwas verbarg noch saß, wie er sitzen sollte. Sie ließ nicht nach. „Ich kam hierher, weil ich Sie bitten wollte, wegzugehen. Sie haben gedacht, weil ich Sie töten wollte. Nun, Sie gehen nicht, und ich habe Sie nicht getötet; wir haben uns wohl beide geirrt. Aber wenn Sie auch nur ein bißchen Mitgefühl in sich haben, Schiffs-Meister, dann werden Sie die Mission nicht durchführen. Lassen Sie die Aerani in Frieden.“
    Im Moment schwieg Gorstein. Er leckte sich die Lippen, wandte sich von Elspeth ab und trat wieder zum Fenster. Er nahm das leere Glas und drehte es in den Fingern, so daß es hell aufblitzte. In diesen Sekunden des Schweigens kam er Elspeth wie ein Mann vor, der von der Hoffnungslosigkeit des Ganzen zermalmt ist; doch das war vielleicht mehr ihr eigenes Wunschdenken. Schließlich sagte er: „Mueller, ich habe bereits Befehl gegeben, die Operation auf dem Aeran einzustellen. Es war die unpopulärste Entscheidung, die ich je getroffen habe, und es wird eine Menge Ärger mit der Besatzung geben. Aber ich habe den Befehl gegeben. Machen Sie nicht so ein erstauntes Gesicht, das steht Ihnen nicht. Alles, was Sie von mir wollen, hatte ich bereits durchdacht. Ich sage nicht, daß nicht die Monitoren eines Tages doch noch implantiert werden; aber im Hinblick auf die Natur der Kolonie wird die Mission auf unbestimmte Zeit verschoben.“
    Sie konnte es kaum glauben. Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, ob sie noch etwas sagen oder einfach hinausrennen sollte.
    „So war dieser ganze Streit … unnötig. Sinnlos.“
    „Alles ganz sinnlos“, stimmte er bitter zu. „Alles ganz grundlos.“
    Sie starrten einander an, finster, zornig. „Nun“, sagte Elspeth, „was geschehen ist, ist geschehen. Was gesagt ist, ist gesagt. Ich bin froh, daß Sie diesen Befehl gegeben haben. Sehr froh sogar.“
    Sie dreht sich kurz um und verließ das Schiff, die Reste ihrer Jacke eng an sich gezogen, um sich vor den peinlichen Blicken der Mannschaft zu schützen.

 
9
 
    Sie ging direkt zum Fluß hinunter, wo ihr betriebsunfähiger Zubringer immer noch im Unterholz versteckt lag, und sprang ins kalte Wasser, mit Rock, zerfetzter Jacke und allem. Sie plantschte ein paar Minuten und ließ sich dann langsam zum Grunde des Flusses sinken, ungefähr in sitzender Stellung, die Arme ausgestreckt. So spürte sie die Strömung an sich vorbeiziehen. Als sie den Atem nicht länger anhalten konnte, stieg sie wieder hoch, schnappte nach Luft, schwamm ans Ufer und kroch durch den Schlamm aufs trockene Land. Sie kam sich vor wie ein Ausgesetzter, der unter lauten Dankes- und Freudenschreien dem Meer entsteigt und Land betritt. Sie schrie auch tatsächlich laut vor Freude und Dankbarkeit, aber das gehörte nicht zu dem kurzen, zusammenhanglosen Spiel, das sie spielte.
    Denn sie fühlte sich wirklich erleichtert. Die Schlacht war noch nicht gewonnen, doch der Feind war schon halb auf ihrer Seite. Was war das für eine Schlacht? Irgendwann, bald, sehr bald, würde sie das Donnern des abhebenden Raumschiffes hören, das Heulen des atmosphärischen Antriebs, und dann adieu Gorstein mitsamt deinen Monitoren und deiner ganzen verdammten Arroganz!
    Sie mußte lachen beim Gedanken an ihren Streit mit Gorstein, an ihre unvermittelte Abneigung gegen ihn, an ihre obstinate Weigerung, seinen egozentrischen Launen nachzugeben, und wie sie ihn beinahe dazu gebracht hätte, daß er die Mission durchführte, bloß um sie zu ärgern. Die ganze Sache hätte auch völlig anders ausgehen können. Komisch, wie sich die Dinge manchmal entwickeln.
    Flußtiere, wahrscheinlich skitch, knabberten an ihren Zehen, einer ziemlich schmerzhaft. Sie stieß mit den Beinen aus, ließ sich wieder ins Wasser gleiten und schwamm stromauf zu der Stelle, wo sie ihre Raumfähre versteckt hatte, und spülte sich dabei den zähen Schlamm vom Leibe. An einer bewachsenen Sandbank kletterte sie an Land, zog sich aus und blieb in ihrem Boot sitzen, bis sie trocken war.
    Später zog sie einen Allwetteranzug über, enganliegend an den

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