Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
Vom Netzwerk:
wenn sein eigener Verstand nicht ausreichte. Er würde sich nicht gegen die kalten Fakten auflehnen. Er würde zu einer unmittelbaren Entscheidung gezwungen sein – nicht ob er hierbleiben sollte oder nicht, sondern ob er vor dem Start erst die Monitoren implantieren sollte oder nicht.
    Und zu denen zurückzukommen, die er so fürchtete, und ihnen zu sagen: „Wir haben es nicht für richtig gehalten, mit den Aerani zu experimentieren, weil hier die Zeit oszilliert …?“ Sie würden ihn vermutlich auslachen. Das würde Gorstein nicht riskieren. Er würde den Aerani geben, was sie nunmehr glaubten, haben zu müssen. Das wäre für alle Beteiligten die einfachste Lösung.
    Wahnsinn war jetzt Herr und Meister; nur Elspeth konnte das Unheil verhindern. Und sie sah für die Aerani eine unheilvolle Zukunft voraus, wenn Gorstein so entschied. Wäre ihr in den Sinn gekommen, es sei nur unangebrachte Bevormundung, wenn sie sich einbildete, die Aerani vor sich selbst schützen zu müssen, so hätte sie diesen Gedanken weit von sich gewiesen. Selbstkritik war jetzt nicht angebracht.
    Unbemerkt (oder so glaubte sie wenigstens) schlüpfte sie aus der erleuchteten Zone und dann aus dem crog hinaus. Dort drüben, eine knappe Viertelmeile entfernt, lag das hellerleuchtete Schiff; und als sich ihre Augen an die plötzliche Finsternis gewöhnt hatten, machte sie sich auf den Weg durch das dazwischen liegende Gelände.
    Darren war nirgends zu sehen. Um Moir, die am Erdwall kauerte und ihr nachschaute, kümmerte sie sich nicht. Moir rief sie an, doch Elspeth, wenn sie überhaupt gehört hatte, reagierte nicht darauf.
    Dem Wachtposten an der Rampe, die ins hellerleuchtete Schiffsinnere führte, sagte sie, sie werde erwartet. Der Posten kannte sie, er hatte sie mit Gorstein zusammen gesehen, und er kam offenbar nicht auf den Gedanken, beim Schiffs-Meister um Bestätigung nachzufragen. „Gehen Sie nur rein“, sagte er lächelnd.
    „Ich soll ihn bei den Monitoren treffen“, erläuterte sie. „Ich muß sie den Aerani vorher beschreiben, sonst lassen sie sich die Dinger nicht implantieren.“
    „Wird auch Zeit“, sagte der Posten, „aber da gibt’s gar nichts zu sehen. Auch nicht zu beschreiben. Nicht viel, jedenfalls.“
    „Das kann man denen nicht sagen“, erwiderte sie und deutete flüchtig mit dem Daumen über die Schulter. Der Posten nickte verständnisvoll.
    „Dahinten ist eine Frachtlukentür, wo draufsteht: ‚Sensitiv’. Da gehen Sie durch. Immer der Nase nach.“
    Sie schritt die Rampe hinauf, und mit einem Blick auf Gorsteins Fenster, die alle in gelbem Licht erstrahlten, ging sie an Bord.
    Fast ehe sie merkte, wie rasend ihr Herz schlug und wie ihr der Kopf schwirrte, war sie durch die Tür des Lagerraumes getreten. Wenn Gorstein sie jetzt erwischte, war es ihr sicherer Tod. Es mußte ganz schnell gehen. Kam Gorstein aus dem Schiff heraus, dann war ihr Spiel zu Ende; wenn der Posten es sich anders überlegte und doch noch beim Schiffs-Meister nachfragte, ob sie wirklich erwartet wurde, dann würde Gorstein sofort wissen, welchen verzweifelten Schritt sie vorhatte – und dann wäre ihre Chance gleich Null.
    Der Gang fiel etwas ab. Schiffsgeräusche füllten ihre Ohren: ein tiefes Summen, vielleicht vom Belüftungssystem oder vom Arnes-Antrieb, den man nie ganz abstellen konnte, selbst wenn man es gewollt hätte.
    Während sie durch den weißgestrichenen Korridor ging, zog sie ihr winziges Nadelgewehr aus dem Gürtel. Vorhin im crog war es ihr gar nicht in den Sinn gekommen, die Waffe zu ihrer eigenen Verteidigung zu benutzen … seltsam, wie man im crog den Sinn für Zivilisationsprodukte verlor. Sie hatte sich nicht etwa gegen die Benutzung der Waffe entschieden, sondern hatte einfach nicht mehr daran gedacht, daß sie sie überhaupt besaß.
    Jetzt hielt sie sie schußbereit vor sich. Das Gewehr hatte nur ein einziges Geschoß, doch das war von sehr starker Wirkung. Aber wenn sie jetzt schießen mußte, dann hatte sie keinen Schuß mehr für die Monitoren.
    Und wie sahen die nun wirklich aus?
    Am Ende des Ganges, der kürzer war, als sie gedacht hatte, war die Tür mit dem Schild ‚Sensitiv’. Sie öffnete die Tür und trat in einen kleinen, spärlich erleuchteten Raum, warm, fast stickig. Allerlei Gerät stand an den Wänden, schwache Lichter spielten über den Fußboden, ein zu Kopf steigender Geruch, Ozon vielleicht, verursachte ihr ein unangenehmes Gefühl im ganzen Körper.
    In der Mitte des Raumes stand

Weitere Kostenlose Bücher