Erdwind
„Nun, ich nicht.“
Gorstein packte ihn am Arm, daß es schmerzte, und zog ihn zum Fenster zurück. „Du wirst gar nichts tun. Sieh hin!“
Ein junger Aerani und das Mädchen, das er heute bei der Jagd gesehen hatte, zerrten Elspeth ins Dunkel.
Gorstein lächelte. „Sie meint, jetzt sei sie in Sicherheit.“ In tiefem Nachdenken, wie es schien, starrte er Ashka an. „Ob sie es ist oder nicht, das hängt weitgehend von dir ab, alter Freund.“ Doch das sagte er ohne eine Spur von Wärme.
Ashka trat in die Kabine zurück. Er fühlte sich alt, sehr alt, und angesichts der aggressiven Jugendlichkeit Gorsteins kam er sich sehr dünnhäutig und sehr zerschlagen vor.
Hol der Teufel diesen Planeten! Wenn wir nicht hergekommen wären, dann wäre nichts von alledem passiert. Ich wäre noch so lebendig und vital wie vor einer Woche. Jetzt komme ich mir mehr tot als lebendig vor. War es das, was Iondais Orakel meinte? Daß mir nur noch Sekunden übrigbleiben, weil mein Geist stirbt? Und wenn der Geist tot ist, was hat das Leben dann noch für einen Sinn?
„Was willst du von mir, Karl?“ fragte er müde.
„Eine Lesung“, erwiderte Gorstein langsam. „Eine Lesung, eine Konsultation des ching.“
Ist das alles? Habe ich zu stark reagiert? Hat mein Selbstmitleid mich veranlaßt, diesen Mann zu hart zu beurteilen?
Etwas unbehaglich sagte er: „Das ist schließlich meine Funktion hier an Bord. Was also soll ich es fragen?“
„Zweierlei“, erwiderte Gorstein. „Es soll uns sagen, was geschehen wird, wenn wir uns weigern, dem Wunsch der Kolonisten, unter Überwachung gestellt zu werden, nachzukommen; oder was geschehen wird, wenn wir ihnen diesen Wunsch erfüllen.“
Gorstein hatte noch nicht richtig zu sprechen begonnen, da sah Ashka schon, daß der Schiffs-Meister ihn täuschen wollte. Unglaublich, daß jemand so deutlich zeigen konnte, wie wenig Diplomatie er besaß. Seine Unwilligkeit, Elspeth zu retten, die Monitoren als Konfliktquelle, das ching als Werkzeug, als kraftvolles Werkzeug zur Manipulation von Menschen … alles das floß zu einem einzigen Gedanken zusammen, und Ashka erlaubte sich, ihn auszusprechen, ohne Rücksicht auf Diskretion.
„Sie hat die Monitoren vernichtet!“
Gorsteins Augen erweiterten sich kurz, dann rührte ein Lächeln echter Bewunderung an seine Lippen. „Mein Gott, Peter, manchmal grenzt deine Intuition an schieren Genius.“
Ashka war erschüttert. „Sie muß verrückt gewesen sein.“
„Hingabe an ihre mißverstandene Beschützeridee. Wer für Gerechtigkeit ist, den soll man nicht verrückt nennen, Peter.
Ich bewundere ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Selbst eine Närrin kann man bewundern, wenn sie ihr Spiel mit kompromißloser Integrität spielt.“
„Aber sie hat uns alles kaputtgemacht“, schrie Ashka. „Die Aerani, das Schiff, alles …“
„Nicht alles“, erwiderte Gorstein ruhig. „Um die Kolonie kümmere ich mich nicht mehr. Das ist nicht mehr nötig. Aber um uns mache ich mir Sorgen, um dich, um mich, um die Besatzung, um das Schiff … und hier wirst du gebraucht.“
„Weiter!“
„Bis jetzt wissen nur ich – und du – was passiert ist – ein glücklicher Umstand, der nur darauf zurückzuführen ist, daß ich gesehen habe, wie die Mueller von Bord ging. Aber wenn es die Besatzung merkt, dann wird’s mir sehr heiß unterm Hintern. Und noch schlimmer wird es natürlich, wenn sie herausbekommen, daß die Kolonisten bereit waren, sich implantieren zu lassen. Und das werden sie wahrscheinlich bald herausbekommen, denn die Kolonisten werden hier bewaffnet aufkreuzen, um die ‚Knochen-Geister’ zu fordern, die wir ihnen versprochen haben.“
„Glaubst du, sie haben Elspeth Mueller umgebracht, weil sie einmal zu oft gegen die Implantation geredet hat?“
Gorstein zuckte die Achseln. „Das ist durchaus möglich. Entweder das, oder sie hat ihnen gesagt, was sie mit ihren geliebten Geistern angestellt hat.“
„Und was sollen ich und das ching dazu tun?“
„Es sind zu viele Leute an Bord, als daß ich einfach sagen könnte: Kommando zurück; wir verlassen den Aeran und nehmen die Monitoren mit. Ich werde beweisen müssen, daß dieses Vorgehen das beste für alle Beteiligten ist. Daher möchte ich, daß du dem ching diese Fragen in Gegenwart einiger Besatzungsmitglieder stellst.“
„Nichts einfacher als das“, stimmte Ashka zu. „Doch erstens, da die Monitoren tot sind, wird die Antwort sinnlos sein, und das wird man auch merken.
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