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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Umständen die Orakel befragt wurden: Der ausgleichende Einfluß des Rationalisten war wichtiger als alles andere. Zum Teil hing die Konsultation von der fachmä n nischen Interpretation des Luminariums ab … zum Teil von der Verse n kung in den Geist des Fragenden … zum Teil vom Werfen der Münzen … zum Teil von Interf e renzen …
    Er ließ seine Zweifel verblassen und kehrte in die G e genwart zurück, blickte in das gesammelte Gesicht seines Freundes (seit wie vielen Jahren waren sie schon Freunde? Es kam ihm wie ein ganzes Leben vor, doch es waren nur vierzig Jahresze i ten, zehn Jahre von fünfzig!).
    Wie immer, wenn er dem pedantischen Alten zusah, füh l te sich Gorstein unglücklich bei dem Gedanken, daß Ashkas L e ben sich dem Ende näherte. Warum hast du das getan, Peter? Warum? Keines Mannes Schicksal gehört nur ihm selber. Du hättest nicht fragen sollen … Die näheren U m stände dieser Befragung hatte er Gorstein nie geschildert. Er hatte nur g e sagt, dabei sei fast seine Beziehung zum ching zerstört worden – aber wie es auch vor sich gegangen sein mochte: Ashka hatte eine absolute Voraussage verlangt – er hatte nach dem Zei t punkt seines Todes gefragt. Und er hatte ihn erfahren. An sich gab das Buch der Wandlungen ke i ne Voraussagen, sondern es führte; aber da es in Tausenden von Jahren zahlreiche Varia n ten und Erweiterungen erfahren hatte, war Gorstein nicht überrascht, daß auch Elemente re i ner Wah r sagerei in seine Blätter eingedrungen waren. Ashka schwieg sich rücksichts- oder vie l leicht taktvollerweise über diesen Punkt aus. Er wußte auch nur, daß die ihm verble i bende Lebensspanne jetzt nur noch sieben Monate betrug.
    Das verursachte Gorstein bürokratische Kopfschmerzen, denn er mußte bald mit dem langen und mühsamen Verfa h ren der Au s wahl eines neuen Rationalisten beginnen, und alle an Bord b e findlichen Schüler Ashkas waren noch zu jung, um dieser Ve r antwortung gewachsen zu sein.
    Ashka schien jetzt mit seinem Arrangement zufrieden zu sein. Er sah seinen Schiffs-Meister an. „Also – nun sage mir, warum du mich rufen ließest. Identifiziere dein Problem.“
    „Seit unserer Landung hier …“ Wie schwierig ist es doch, Gefühle in Worte zu fassen, ohne daß sie banal, fast ki n disch kli n gen. „Seit wir hier gelandet sind, habe ich so ein unang e nehmes Gefühl. Ein sehr unangenehmes. Ein Gefühl der Spa n nung wäre vielleicht der bessere Ausdruck.“
    Gedankenvoll nickte Ashka. „Und in welcher Hinsicht?“
    „In Hinsicht auf … unsere Mission, nehme ich an.“
    „Du bist dir nicht sicher?“
    „Es ist schwer zu sagen …“ Beim Sprechen fühlte er sich noch unbehaglicher. Wie würde es auf die Offiziere wirken, wenn sich der Schiffs-Meister vor Ratlosigkeit wand wie ein Wurm? Doch der Rationalist stand rangmäßig ganz auße r halb der übrigen Off i ziere. Es war Unsinn, daß es Gorstein unangenehm war, seine Befürchtungen diesem Manne zu en t hüllen, der zwischen ihm und der gesamten Besatzung stand. „Ja“, sagte er nachdrücklich, „die Mission. Ich ve r spüre eine gewisse Gespanntheit bezüglich unserer Miss i on.“
    „Und welcher Aspekt der Mission macht dir am meisten So r gen?“
    Gorstein schloß die Augen und schwieg einen Moment in angestrengtem Nachdenken. Er merkte, daß sich seine Hä n de, die in seinem Schoß lagen, unbewußt öffneten und schlossen; er zog seine Robe über seinen Schoß, denn er kam sich durch diese ne r vösen Bewegungen noch nackter vor. Durch seine blinzelnden Lider sah er, daß Ashka ihn aufmerksam und l ä chelnd anblickte. Gorstein erwiderte sein Lächeln.
    „Mein Gott, ich bin eben ganz verspannt. Was soll ich bloß tun, Peter?“
    Ashka schüttelte den Kopf. „Deine Neigung zu Archai s men ist sehr betrüblich. Was du tun sollst? Nicht so ve r spannt sein. Es ist ganz einfach.“
    „Tief atmen, ich weiß.“
    „Nur ein paar Sekunden.“
    Nach etwa einer Minute spürte Gorstein, daß sein Körper lock e rer wurde, sein Herz langsamer schlug, und dieses peinliche Unbehagen schwand. Er kam sich ein bißchen dumm vor. „Welchen Aspekt der Mission? Ja. Eine gute Frage. Ich habe keine Antwort darauf. Vielleicht brauche ich gerade hier Kl ä rung.“
    Der Rationalist lächelte. „Wann hat sich dieses Unbeh a gen en t wickelt?“
    „Danach. Unmittelbar nachher.“
    „Bevor oder nachdem du die Kolonie zum erstenmal g e sehen hast?“
    Von seinem Platz aus konnte Gorstein die Erdaufwürfe

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