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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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ist denn nur, Moir?“
    „Komm doch bloß – du weißt ja nicht, was du tust!“
    „Was tue ich denn?“ fragte Elspeth. Blanke Wut sprach aus ihr, sie hätte jeden Menschen ermorden können, der … was sie da unten hörte, war schlimm genug, und das irriti e rende B e nehmen dieses Mädchens brachte ihre Wut auf den Höhepunkt.
    „Du hast laut gerufen, Elspeth. Sie haben dich gehört. Wenn sie herkommen und sehen, wer wir sind, töten sie uns. Bitte komm doch!“ In ihrer schrecklichen Angst sprach sie jetzt selbst so laut, daß man unten aufmerksam werden mu ß te.
    „Gerufen? Ich habe nicht gerufen …“ Sie zwang ihre Stimme zum Flüstern, doch es ließ sich nicht leugnen, daß die Disku s sion unten stockte; verwunderte Gesichter starrten zu ihr empor. Ni e mand bewegte sich.
    „Doch, Elspeth! Sie werden uns töten!“
    Plötzlich merkte sie, daß die beiden alten Feuer-Wächterinnen quer durch die Feuer-Halle auf sie zugeschri t ten kamen. Darren war aufgesprungen und wartete ansche i nend auf die Erlaubnis, hinüberzugehen und nachzusehen, was es da gab.
    Elspeths Herz sprang und raste; ihr wurde plötzlich so schlecht, daß sie völlig hilflos war. Das kam teils davon, was sie gehört hatte, und teils davon, was sie getan hatte: Sie war laut geworden, unbewußt hatte sie ihre Wut über das Gehö r te hinausg e schrien … hatte Aufmerksamkeit erregt, wo sie doch angstvoll und lautlos hätte sitzen bleiben sollen, u n sichtbar und unbemerkt.
    Moir sprang auf und rannte weg. In panischer Angst ran n te Elspeth hinterher, durch die dunklen Gänge zum Fluch t tunnel. Sie quetschten sich durch den engen Eingang und erreichten S e kunden später die Höhlen unter der Erdburg. Wurden sie verfolgt? Es war nichts davon zu hören, daß j e mand direkt hinter ihnen herkam. Moirs drängendes Zupa c ken hatte sie der Gefahr entzogen. Sie rannten den Weg z u rück, den sie gekommen w a ren; mit den Händen an der Wand, laut keuchend, suchten sie den Weg zur Lichtung.
    Sie erreichten den Schacht und kletterten in den Hügel hinauf; es war nicht so schwer wie das Hinunterklettern. Und zuletzt kr o chen sie durch den steinbegrenzten Gang von der durch Tragsteine gestützten Kammer in die kleine Lic h tung hinaus.
    Kalte Luft, der scharfe Geruch moosiger Vegetation – … kein Laut … kein Verfolger hinter ihnen.
    Moir brach in Tränen aus, und Elspeth, an den trockenen Waldboden geschmiegt, schmutzig und zerkratzt von der mühseligen Flucht, schlang tröstend den Arm um das Mä d chen.
    „Du hattest doch versprochen, daß du still sein würdest“, schluchzte Moir.
    „Ja – es tut mir leid, wirklich. Ich bekam eben so … so eine Wut.“
    Moir wischte sich die Augen; der Pelz auf ihrem Han d rücken war ganz strähnig vor Tränen. Sie hörte auf zu we i nen, versuchte, die nassen Haare mit den Fingern zu troc k nen, rieb sie heftig. Auf einmal sah sie zu Elspeth hoch, l ä chelte und schü t telte den Kopf.
    „Ich habe uns wohl ganz schön Angst gemacht“, sagte Elspeth.
    Moir nickte heftig. Sie lachten beide, doch Elspeth war wen i ger nach Lachen als nach Weinen zumute.
    Diese Schweine!
    Was bildeten die sich eigentlich ein? Sie würden alles k a puttm a chen, ihre ganze Arbeit zunichte machen, das Aerani-Volk z u nichte machen … doch wie sollte sie diese Leute davon überze u gen, daß das falsch war? Unbedingt mußte sie i h nen klarmachen, wie zerstörerisch ihr Angebot war.
    Doch sie erkannte bei den Fremden die Symptome jenes Gefühls, das die stärksten Motive schafft – der Angst. Schi e re Angst e r füllte diese Männer und Frauen, bis tief in die letzte Zelle ihrer Hirne, die letzte Faser ihrer Muskeln. Die Angst vor der Verge l tung. Als junges Mädchen, im Zentrum der Föder a tion, hatte Elspeth es kommen sehen, in einer Welt, wo das alte Regime bereits eine Minderheit war und die Sicherheitsbehörden pra k tisch aufgehört hatten, sich um die aufrührerischen Umtriebe der revolutionären Gruppen zu kümmern … es war schon selbstve r ständlich, daß die Alten weg mußten, die alte Ordnung einen Tritt bekam, das Ze n trum der Macht von der kaputten alten Erde zu den neuen Hochburgen der Zivilisation um den Planeten Elektra ve r legt werden mußte …
    Elspeth hatte es kommen sehen, hatte es geschehen sehen (die Raketen über der Stammes-Stadt … und innerhalb eines Jahres war die Stammes-Stadt nur noch eine riesige Ruine, Jahrhunderte an Kultur und Kultus von der neuen Intoleranz zu Boden

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