Erdwind
Sp i rale bedeutete das ch’i, die bewegende Vitalität, die Kraft, durch die sich alle großen Erneuerer in das tao ei n stimmen. Das ch’i ist in uns allen, es ist die Ur-Seele, die christliche Seele, das Bind e glied zu Gott.
Spüren Sie einen solchen Sinn im Erdwind? Die Spirale ist offenbar ein Zeichen des inneren Geistes in seiner Bezi e hung zur äußeren Größe – kann es darüber irgendeinen Zweifel g e ben?“
„Ich stecke voller ähnlicher Ideen, lieber Ashka. Und ich weiß es einfach nicht. Ich weiß es nicht.“
„Und dieses bizarre Spiralenmuster … gab es das in I r land auch?“
„Nur einmal. Im Hauptgrab, Newgrange, an der Rückse i te des Grabes selbst; es war in die rechte Hinterwand einer kleinen Kammer in der Mitte eingemeißelt, und das Mag i sche da r an war, daß einmal, aber nur einmal im Jahr die Sonne den ganzen Gang entlangschien, in diese Apsis hi n ein. Nur einmal, und zur Zeit der Erbauung war dieses D a tum der kürzeste Tag des Jahres.“
„Ein magischer Tag?“
„Die Winter-Tagundnachtgleiche. Ein Tag von großer myst i scher Signifikanz.“
„Das ist ja hochinteressant“, sagte Ashka ehrlich. „Das werde ich durch die Mühle meines Gedächtnisses laufen lassen, wenn Sie wollen.“
„Ja, bitte.“
„Ich werde mich auch darum kümmern, daß Sie Ihr Ste u erg e rät zurückbekommen …“
Elspeth lachte bitter. „Das spielt jetzt wirklich keine Rolle mehr. Ich habe wahrscheinlich keine Zeit, an Bord meines Schiffes zu gehen. Ich muß Ihren Schiffs-Meister davon übe r zeugen, daß er von dieser Welt herunter muß.“
„Ich habe selbst wenig Lust hierzubleiben“, entgegnete der Rationalist. „Wenn Ihr Austin wirklich vom Aeran ang e steckt worden ist, dann müssen wir hier weg, je eher, je be s ser. Wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren.“
Sie schritten durch den Wald.
In deinem eigenen Interesse, Peter Ashka, hoffentlich ist es nicht zu spät …
5
In den frühen Morgenstunden trat Elspeth durchkältet und m ü de aus dem Wald heraus und starrte eine Zeitlang auf den ste i len Erdwall des crog. Aus der Kolonie erklangen Rufe und Schreie; und die bitterkalte Nachtluft (es war zwei Stunden vor Tagesa n bruch) war punktiert von scharfen Hammerschlägen: Die Küns t ler hinter der Düne meißelten mit spitzen Knochen Ornamente und Symbole ein, um die Ängste zu bannen, die in der Aerani-Siedlung aufstiegen.
Das massige Schiff stand ein paar hundert Yards entfernt am Rande der natürlichen Lichtung, halb über dem spärl i chen Pflanzenbewuchs, halb eingehüllt in eine flache Hö h lung, die es sich selbst geschaffen hatte. Um seine Mitte e r strahlten Lichter; Me n schen eilten die Laderampe auf und ab. Der Duft bratenden Fle i sches hing in der Luft, und Elspeth dachte, es könne etwas Gutes zum Frühstück geben. Das Wasser lief ihr im Munde zusammen. Es war gar nicht so lange her, daß sie richtiges Protein gegessen hatte, aber ihr kam es vor, als seien es Jahre. Schwarzflügler, ihre Sta n dardkost der letzten paar Tage, schmeckten nicht viel anders als Leder und waren entsprechend zäh. Sie hatte fast verge s sen, wie zivilisierte Speisen dufteten.
Zwei Aerani standen auf der äußeren Düne und starrten stumm auf die Fremdweltler. Sie konnte sie nicht erkennen, doch es waren jedenfalls Männer. Der eine war alt, der and e re schien jung zu sein. Beide trugen Krummschwerter aus Kn o chen, auf denen manchmal der Schein der Schiffslichter gel b lich aufblitzte. Elspeth rührte sich nicht, als die beiden Männer um die Brustwehr herumkamen und auf die Lic h tung vor dem crog blickten. Sie sahen Elspeth nicht, und nach ein paar M i nuten blieben sie wieder stehen, wechselten unhörbare Worte und verschwanden dann im Dünengraben.
Elspeth schoß aus ihrem Versteck hervor und rannte um die B a sis der äußeren Brustwehr bis zu der großen Lücke, die als Ei n gang diente. Ihr Schatten, den die Scheinwerfer des Schiffes gegen die Fläche des schwarzen Erdwalls wa r fen, der sich neben ihr erhob, war nur schwach. Daß sie vielleicht von den Frem d weltlern im Schiff beobachtet wurde, störte sie nicht weiter. Wenn sie sich in der Erdburg sehen ließ, würde man sie vielleicht sofort hinrichten. Dem aus dem Wege zu gehen, war ihre einzige Sorge. Immerhin – und das mußte sie sich ständig ins Gedächtnis zurückr u fen – wußte sie ja nicht, inwieweit ihre Gesetzesübertr e tung, trotz allem, was Darren ihr gesagt hatte, den Aerani b e
Weitere Kostenlose Bücher