Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
Vom Netzwerk:
in die Arena hinunterzuschauen. Sie und Moir hielten sich bei den Händen, die Finger fest verschlungen. Das Mä d chen weinte nicht mehr. Was mochte Moir für eine Vision h a ben, fragte sich Elspeth. Im Herzen wünschte sich das Mä d chen zweifellos, daß Engus siegte, ihr Liebhaber, selbst um den beängstigend hohen Preis des Todes ihres Bruders. Sah sie also das schreckliche Bild von Engus’ a b geschnittenem Kopf? Hatte ein Etwas sie auf das Schlim m ste vorbereitet?
    Was immer dieses Etwas sein mochte – und im geheimen wußte sie, daß es bloße Phantasie war, ihr eigener Geist, der sich von ihrer eigenen Angst nährte –, es müßte ja tatsäc h lich um den Ausgang des Kampfes wissen, denn diese sel t same Welt gebot über die absolute Voraussage …
    Wo mochte wohl der Seher sein? Las er in diesem M o ment i r gendwelche Runen? Befand er sich unter der Erde, im Leib der Mutter, die im geheimen über den Tod eines ihrer Kinder weinte, einen Tod, den sie in Bildern, Zeichen oder Symbolen gesehen hatte?
    Ich bin für Darren, dachte sie. Komm ran, Kleiner!
    Das Ritual des Todes und der Ehre begann, und Elspeth rutschte auf den Knien weiter vor. Es war jetzt seltsam still in der Luft, nur ein Höhenwind sang; ab und zu knisterte eine Fackel. Das laute Meißeln hatte aufgehört. Die Schatten der beiden jungen Männer, die dort unten standen, Ang e sicht zu Angesicht, tanzten über den Erdboden, obwohl sie bis jetzt nur geistig kämpften. Ihre Körper bewegten sich nicht. Sie waren natürlich nackt, und Engus wirkte groß und athletisch; Elspeth war das noch nie so aufgefallen. Sein langes Haar hing ihm strähnig über die Schu l tern, er hatte es aus der Stirn zurückgestrichen, die er sich a n scheinend mit dunkler Farbe bemalt ha t te. Sein Gesicht war eine Maske des Hasses (und sie waren doch so gute Freunde gew e sen!), mit geballten Fäusten starrte er auf seinen Gegner. Darren sah nicht so kräftig aus wie Engus, und doch wirkte er gela s sener. Sein Körper war völlig reglos, sogar ohne die Anpa s sung, die in Engus’ Kampfhaltung so deutlich zum Au s druck kam. Elspeth wünschte sich, er möge doch nur einmal kurz zu ihr h e rübersehen, doch seine Augen waren fest auf den Gegner gerichtet, während die tödlichen Waffen herbe i gebracht wurden: lange gebogene Knochenschwerter, gel b lich glänzend, vorn breiter als am Griff – es war überhaupt kein Griff, da gab es nur ein paar Kerben für die Finger am schmaleren Ende des Knochens. Die Schneiden sahen gra u sam scharf aus. Von welchem Tier sie stammten, wußte Elspeth nicht. Kein Schwarzflügler, soviel war sicher, diese Knochen stammten von etwas Großem.
    Jeder hatte ein Tangelkraut um den linken Arm gewu n den; frie d lich ruhte es in der Achselhöhle in diesen Minuten vor Kampfe s beginn.
    Man brachte jedem einen Steinsplitter, scharf, spitz. Be i de leh n ten ab und nahmen statt dessen ihre Kristallmesser, die sie an der Schnur um den Hals trugen. Mit diesen machte sich jeder einen Schnitt in den Unterarm, so daß das Blut, allen sichtbar, frei vom Gelenk auf die Schwertschneide lief und von dort in das trockene Moos tropfte. Dann wurde ein runder Stein, abgemeißelt, um die natürliche Rundung noch zu ve r vollkommnen, herbeigebracht und zwischen die Kämpfer plaziert. Darren und Engus knieten sich an den g e genüberliegenden Seiten des Steines hin und begannen j e der, ein kompliziertes Spiralmuster auf den Stein zu schmi e ren …
    Bald konnte Elspeth erkennen, wie kompliziert das M u ster wu r de. In Blut aufgemalt, kein falscher Strich, keine Linie oder Ku r ve an falscher Stelle … drei Doppelspiralen …
    Ein Todessymbol? War der Erdwind also ein Todessy m bol, nicht mehr und nicht weniger?
    Beide standen jetzt auf. Das Blut rann immer noch reic h lich aus dem Schnitt am Unterarm. Warum fingen sie nicht an, warum brachten sie es nicht hinter sich?
    Plötzlich fiel Elspeth ein, daß sie keine Ahnung hatte, warum sie eigentlich kämpften. Sie fragte Moir danach, doch die sah sie an, als verstünde sie die Frage nicht.
    „Es muß doch einen Grund geben. Um wen oder was geht es?“
    Moir blickte ins Lager zurück und sprach mit einer Sti m me, so grau wie der Himmel: „Darren kämpft für unsere Familie, Engus für seine.“
    „Ja, aber warum?“
    „Engus’ Familie will den Tod der Jenseitler. Sie wollen das Himmelshaus angreifen und alle umbringen.“
    Das wollte Engus? Elspeth war enttäuscht. Das war ein so unvernünftiger und

Weitere Kostenlose Bücher