Erdwind
fast das gleiche triumphierende Lächeln wie vorhin. „Diese Schande nehme ich nicht auf mich, Elspeth. Wenn du gefordert wirst, nimmst du an – oder ich töte dich.“ Er faßte die Lederschnur an seinem Hals und tastete nach dem Kr i stallmesser, das sonst immer dort gehangen hatte. Elspeth hatte bis jetzt noch gar nicht b e merkt, daß es nicht mehr da war. Darren war darüber offe n sichtlich beunruhigt, wandte sich zum glimmenden Feuer hin und suchte. Elspeth nutzte die Gelegenheit, um ihre S i tuation zu überdenken. Es war weit bis zum Au s gang, und sie würde nie über den Wall klettern können, wenn sie sich dabei eines entschlossenen ju n gen Kriegers erwehren mußte. Verzweifelt begann sie: „Da r ren, ich habe keine Ahnung, wie man mit so einem Schwert kämpft. Sie würde mich s o fort u m bringen.“
Er blickte sich nach ihr um, die Finger noch an der Lede r schnur. „Nicht wenn du deine Feuerwaffe nimmst.“
„Du tust ja, als ob du willst, daß Moir stirbt. Sie ist doch de i ne Schwester.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie war meine Schwester. Als ich Engus tötete, schied sich unser Blut. Und es bleibt für immer geschieden, es sei denn, sie lehnt es ab, dich zu fo r dern.“
Der Blick, der zwischen ihnen hin und her ging, war w e der feindselig noch freundlich, sondern einfach herausfo r dernd.
Elspeths Widerwille, als Darrens ‚feste Frau’ zu gelten, gewann wieder die Oberhand in ihren Gefühlen. Ganz o f fenbar fand er es von Elspeth, der älteren von beiden, höchst unpa s send, daß sie ihn in Schwierigkeiten brachte, indem sie sich weigerte, gegen seine Schwester anzutreten. Der Streit wäre vielleicht wieder losgegangen – da kam Laurian von der Feuer-Halle herbeig e rannt. Er sah Darren, rannte zu ihm hinüber, blieb stehen und warf einen verstohlenen Blick auf Elspeth. Er war kein so eindrucksvoller Jüngling wie Da r ren, und seine Angst war ihm leicht anzusehen: an den hä n genden Lippen und seiner Miene überhaupt. Darren, der noch auf den Knien lag, blickte hoch. „Nun?“
Schwer atmend und bedrückt sah Laurian die beiden an. „Sie will Elspeth nicht fordern.“
Elspeth fühlte eine kurze, heiße, unbeherrschte Welle der E r leichterung (weißt du noch – die Erleichterung, als Vater die Forderung ablehnte … der Stolz bei der Jungfrauenwe i he … und wie schnell er versank …). Dann riß Darrens w ü tendes Schreien sie aus ihren Gedanken. Langsam, schwe r fällig stand er auf und starrte Laurian an. „Sie will nicht?“ schrie er. Wieder tastete se i ne Linke an der Lederschnur, und wieder vergaß er für den M o ment seine Wut, als er das Messer nicht an se i nem Ort fand.
„Es tut mir leid, Darren“, sagte Laurian, „wirklich, es tut mir leid.“
Darren fuhr herum und starrte Elspeth an. Sein Gesicht war die gleiche Maske der Wut wie vor ein paar Stunden am Flußufer: mit tiefen Falten, von einem Zornesgrinsen en t stellt.
„Das ist noch nicht alles“, sagte Laurian. Eine kleine Gruppe junger Aerani hatte sich langsam um sie gesammelt und beobac h tete Darren gespannt.
„Sprich weiter!“
„Der Seher hat das Orakel wegen der Jenseitler befragt. Das Or a kel hat gesagt, wir sollen uns einverstanden erklären mit dem, was die Jenseitler wünschen. Die Ungenn sprechen ger a de mit ihm.“
Wieder kreischte Darren durchdringend vor Wut. „Dann ist es wertlos! Dann taugt es nichts! So etwas würde kein gutes Orakel verlangen!“
„Es hat es aber verlangt“, sprach eine unbekannte Sti m me. Da r ren fuhr herum, und Elspeth erblickte den Seher, der sie anstarrte. Neben ihm stand Ashka und lächelte dünn, als er sie gewahrte. Wie sie so nebeneinander standen, fiel Elspeth auf, wie ähnlich sie sich waren – beide alt, ja gre i senhaft, beide mager –, ihre tie f liegenden Augen, ihr ganzer Gesichtsausdruck legten ein greifbares Zeugnis ihrer spez i ellen psychol o gischen Fähigkeiten ab. Ashka verlor sich, wie immer, in se i ner bauschigen Robe. Der Seher, ein schmaler, weißpelziger Greis, war jetzt in breite Stre i fen Schwarzflüglerhaut eing e wickelt, die Beine, Arme und zum Teil auch den Oberleib ve r deckten.
Ashka, der Elspeth immer noch anstarrte, fuhr fort: „Das ching verlangt es auch. Ich habe es befragt, und es sagt das gleiche: Sie sollen unser Angebot annehmen.“
Irgendwo, man konnte es nicht sehen, jammerte eine Frau, vie l leicht bestattete sie das Haupt ihres Sohnes, der vielleicht noch am Leben wäre, wenn man, wie es das
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