Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
auf einem Bauernhof leben. Sie ist die zweitschönste Frau in den drei Teilen von An; sie kann nicht unter Schweinen - « Unvermittelt brach er ab, und sein Schatten hing plötzlich still und reglos an den Steinmauern. »Warum?« flüsterte er.
Morgon beugte sich zu seinem Bündel hinunter. Seine Finger zitterten leicht an der Verschnürung. Als er die Krone herauszog, fing der große Stein in der Mitte, der, selbst ohne Farbe, wild nach allen Farben im Zimmer naschte, das Gold von Roods Gewand ein und erstrahlte wie eine Sonne. Wie gebannt von seinem feurigen Glanz sog Rood scharf die Luft ein und begann lauthals zu schreien.
Morgon ließ die Krone fallen. Er drückte sein Gesicht gegen die Knie, die Hände auf seine Ohren. Das Weinglas auf dem Schreibtisch zersprang; die Karaffe auf einem kleinen Tischchen barst, und Wein ergoß sich über die Steine. Das eiserne Schloß an einem schweren Buch sprang auf; die Tür der Kammer schlug krachend zu.
Laute Rufe der Empörung hallten wie ein Echo durch die langen Korridore. Morgon richtete sich auf. Das Blut hämmerte in seinem Kopf. Er strich sich mit den Fingern über die Augen und flüsterte: »Du hättest nicht zu schreien brauchen.
Bring du die Krone zu Mathom. Ich segle nach Hause.«
Er stand auf, und Rood packte sein Handgelenk so fest, daß es ihm bis in die Knochen ging. »Du!«
Er hielt inne. Roods Umklammerung lockerte sich; er griff hinter Morgon und drehte den Schlüssel in der Tür, die unter zornigen Fäusten erzitterte. Sein Gesicht trug einen seltsamen Ausdruck, als wären mit dem Schrei alle Regungen außer einem tiefen Staunen fortgeweht worden.
Seine Stimme klang ein wenig heiser, als er sagte: »Setz dich. Ich begreife nicht. Morgon, warum hast du nicht - warum hast du mir nicht gesagt, daß du Peven herausfordern wolltest?«
»Ich habe es dir gesagt. Vor zwei Jahren, damals, als wir die ganze Nacht auf saßen und einander Rätsel aufgaben, um uns auf das Blau des Untermeisters vorzubereiten.«
»Ja, aber was hast du dann getan? Du bist aus Hed fortgegangen, ohne einem Menschen etwas zu sagen; du bist aus Caithnard verschwunden, ohne es mich wissen zu lassen; still und heimlich wie das Verderben hast du dich durch das Land meines Vaters gestohlen, um in jenem dunklen Turm, dessen Gestank der Ostwind verbreitet, dem Tod ins Auge zu sehen. Du hast mir nicht einmal gesagt, daß du gesiegt hattest. Das wenigstens hättest du tun können. Jeder Fürst von An hätte die Krone mit Triumphgeschrei und Trompetenstößen nach Anuin gebracht.«
»Es lag nicht in meiner Absicht, Rendel zu beunruhigen. Ich wußte einfach nichts vom Gelöbnis deines Vaters. Du hast mir nie etwas davon erzählt.«
»Ja, was hast du denn von mir erwartet? Ich habe erlebt, wie große Herren um ihretwillen von Anuin zu diesem Turm aufbrachen und niemals zurückkehrten. Glaubst du denn, ich wollte dir solchen Ansporn geben? Warum hast du es getan, wenn nicht um ihretwillen oder um des Ruhmes willen, mit dieser Krone in den Händen am Hofe von Anuin zu erscheinen? Stolz auf dein Wissen kann es nicht gewesen sein - du hast ja nicht einmal die Großmeister unterrichtet.«
Morgon nahm die Krone und drehte sie in den Händen. Der große Stein in der Mitte fing das Staubgrau und das Grün seines Kittels ein.
»Weil ich es tun mußte. Aus keinem anderen Grund. Und ich habe deshalb keinem Menschen etwas davon gesagt, weil es etwas so Persönliches für mich war - und weil ich, als ich bei Morgendämmerung lebend aus dem Turm trat, nicht wußte, ob ich ein großer Rätselmeister bin oder ein sehr großer Narr.« Er sah Rood an. »Was wird Rendel sagen?«
Roods Mundwinkel zuckte plötzlich aufwärts.
»Ich habe keine Ahnung. Morgon, du hast in An die Gemüter in Wallung gebracht, wie es nicht mehr geschehen ist, seit Ma- dir die Schweineherden von Hel stahl und sie in den Kornfeldern von Aum freiließ. Rendel schrieb mir, daß Raith von Hel ihr versprochen hat, sie zu entführen und heimlich zu heiraten, sobald sie es wünscht. Sie schrieb auch, daß Duac, der meinem Vater immer so nahe war wie sein eigener Schatten, fuchsteufelswild ist über dieses Gelöbnis und den ganzen Sommer kaum drei Worte mit meinem Vater gewechselt hat; außerdem, daß die Herren der drei Teile von An ihm zürnen und darauf bestehen, daß er sein Gelöbnis bricht. Aber leichter ist es, dem Wind mit dem eigenen Atem eine andere Richtung zu geben, als den Sinn unseres Vaters zu ändern. Rendel schrieb, sie
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