Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
Reiches, von dem ich nie zuvor gehört hatte; manchmal verließ er Isig über mehrere Jahre, um andere Länder zu erforschen, andere Zaubejer, andere Könige kennenzu- lernen. Und jedesmal wenn er zurückkehrte, war er ein wenig mächtiger und auch ein wenig sanfter. Er war so neugierig wie ein Händler, und sein Lachen war so voll, daß es bis in die tiefsten Gruben hinunter dröhnte. Er war es, der die Höhle der Verlorenen entdeckte. Das war das einzige Mal, daß ich ihn je völlig ernst sah. Er sagte mir, ich hätte mein Haus über einem Schatten erbaut, und ich täte gut daran, die Erweckung dieses Schattens zu verbieten. Darum achten meine Bergleute mit Sorgfalt darauf, ihn niemals zu stören, besonders seitdem sie Sol tot vor seiner Tür fanden.« Er schwieg ein Weilchen, dann fügte er hinzu, als hätte er Morgons unausgesprochene Frage gehört: »Yrth hat mich einmal hingeführt, um sie mir zu zeigen. Ich weiß nicht, wer die Tür zu der Höhle gemacht hat; sie war da, ehe ich kam, aus grünem und schwarzem Marmor. Die innere Höhle war von einem unglaublichen Reichtum und blendender Schönheit, aber - es war nichts darin, so weit ich sehen konnte.«
»Nichts.«
»Nur Steine und Stille und eine schreckliche Ahnung von etwas, das sich wie hinter einem Schleier dem Auge verbarg. Ich fragte Yrth, was es wäre, aber er hat es mir nie gesagt. Irgend etwas ist dort vor der Gründung von Isig geschehen, lange, ehe die Menschen in das Reich des Erhabenen kamen.«
»Vielleicht während der Kriege der Erdherren.«
»Ja, ich denke, daß es da einen Zusammenhang geben könnte. Aber worin er besteht, weiß ich nicht; und der Erhabene - falls er wissen sollte, was damals geschah - hat nie darüber etwas gesagt.«
Morgon dachte an die versunkene Stadt in der Ebene der Winde, an die Glasscherben, die er in einem der leeren, dachlosen Gemächer entdeckt hatte wie einen Hinweis auf eine Lösung. Und plötzlich, noch während er daran dachte, durchfuhr ihn das entsetzliche Grauen einer ganz einfachen Lösung, und wieder blieb er in der stillen, eiskalten Abenddämmerung stehen; vor sich glatt und weiß wie ausgebleichte Knochen lag der Berg. »Hüte dich vor dem ungelösten Rätsel«, flüsterte er.
»Wie?«
»Keiner weiß, was die Erdherren vernichtete. Wer kann mächtiger gewesen sein als sie, und welche Gestalt mag die Macht angenommen haben.?«
»Das war vor Jahrtausenden«, sagte Danan. »Was könnte das mit uns zu tun haben?«
»Nichts. Vielleicht. Aber eben das vermuten wir seit Jahrtausenden, und der Weise vermutet nichts. «
»Was seht Ihr vor uns in der Finsternis, was sonst keiner sehen kann?« fragte der Bergkönig in staunender Verwunderung.
»Ich weiß es selbst nicht. Etwas, das keinen Namen hat.« Sie erreichten die dunklen Torgewölbe von Harte gerade, als der Schnee wieder zu fallen begann. Der Hof mit seinen vielen Schmelzöfen und Werkstätten war beinahe leer. Hier und dort schimmerte rotgoldenes Licht durch eine halboffene Tür; der Schatten eines Handwerkers, der bei der Arbeit saß, lag über der Schwelle. Danan führte Morgon durch den Hof in einen Saal, dessen Mauern filigranartig durchsetzt waren von den blitzenden Farben der Edelsteine, die in den Stein eingebettet waren. Ein Bach durchschnitt in weitem Bogen den Steinboden. Eine große Feuerstelle, die über ihm angebracht war, erwärmte die Steine, und das Licht ihrer Flammen tanzte auf dem dunklen Wasser. Bergleute, schlicht gekleidete Handwerker, Händler in ihrer prächtigen Gewandung, Fallensteller in Pelz und Leder blickten auf, als Danan eintrat. Instinktiv zog sich Mor- gon in die Schatten zurück, die der Schein der Fackeln nicht erreichen konnte.
»Im Ostturm ist eine ruhige Kammer«, sagte Danan leise, »wo Ihr Euch waschen und ausruhen könnt; kommt später herunter, wenn hier nicht mehr so viele Menschen sind. Die meisten dieser Leute werden nach dem Nachtmahl nach Kyrth zurückkehren; sie arbeiten nur hier.«
Er führte Morgon durch eine Seitentür aus dem Saal heraus, eine Treppe hinauf, die sich in Windungen im Inneren eines weiten Turms emporschwang.
»Dies ist der Turm, in dem Yrth wohnte«, bemerkte er. »Ta- lies hat ihn oft hier besucht, und auch Suth war ein paarmal da. Suth war ein wilder Mann, selbst als er jung war, war sein Haar so weiß wie Schnee. Er machte den Bergleuten angst, aber ich habe einmal erlebt, wie er sich unzählige Male von einer Gestalt in die andere verwandelte, um meinen Kindern eine
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