Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel
Freude zu machen.« Auf einem Treppenabsatz blieb er stehen, zog schwere Behänge aus weißem Fell von einer Türöffnung weg. »Ich schicke jemanden herauf, der Euch ein Feuer machen kann.« Er schwieg einen Moment und fügte dann etwas zögernd hinzu: »Wenn es keine Zumutung für Euch ist, würde ich gern diese Harfe wieder hören.«
Morgon lächelte. »Nein, es ist keine Zumutung. Ich danke Euch. Ich bin Euch dankbar für Eure Güte.«
Er trat in den Raum und ließ die Riemen der Harfe und seines Bündels von den Schultern gleiten. Die Wände waren mit Fellen und Teppichen behangen, doch der Kamin war leergefegt, und das Zimmer war kalt. Morgon setzte sich in einen Sessel neben dem Kamin. Die Steine bildeten einen Kreis des Schweigens um ihn. Er konnte nichts hören, kein Gelächter aus dem Saal, kein Windesrauschen von draußen. Ein Gefühl der Einsamkeit, anders noch als jenes, das er auf dem Weg durch die herrenlosen Einöden verspürt hatte, berührte ihn. Er schloß die Augen und fühlte, wie eine Müdigkeit, die tiefer war als Schlafbedürfnis, ihn einzusaugen suchte. Rastlos stand er auf, sich ihr zu entziehen.
Dann kamen Leute herein, brachten Holz und Wasser, Wein und Speisen; er sah zu, während sie das Feuer entfachten, die Fackeln anzündeten, Wasser aufsetzten, um es zu erhitzen. Als sie wieder fort waren, stand er lange Zeit am Feuer und starrte in die Flammen. Das Wasser begann zu zischen; langsam zog er sich aus und wusch sich. Er aß etwas, das er nicht schmecken konnte, schenkte sich Wein ein, saß da, ohne zu trinken, während sich die Nacht wie eine Faust um den Turm schloß und das seltsame Grauen wie ein Wasserstrudel tief in seinem Herzen brodelte.
Die Augen fielen ihm wieder zu. Eine Zeitlang flog er mit den Vestas an der Oberfläche seiner Träume, bis er sich plötzlich in seiner eigenen Gestalt durch den Schnee stolpern sah, während die Vestas in der Ferne versanken. Dann durchquerte er, gefangen in einem Gefühl der Einsamkeit, das qualvoll und unerträglich war, Raum und Zeit wie ein Zauberer und befand sich plötzlich in Akren. Eliard und Grim Eichenland saßen am Feuer und redeten miteinander; voll freudiger Erwartung ging er auf sie zu und sagte Eliards Namen. Eliard drehte sich um, und in seinem leeren, verständnislosen Blick sah Morgon sich selbst wie in einem Spiegel, mit wallendem Haar, das Gesicht eingefallen, die Vestanarben rot auf den Händen. Er nannte seinen Namen. Eliard schüttelte den Kopf und sagte verwirrt: >Ihr müßt Euch irren. Morgon ist keine Vesta.< Morgon wandte sich Tristan zu, die irgendein sinnloses, weitschweifiges Gespräch mit Snog Nutt führte. Erwartungsfroh, hoff-nungsvoll lächelte sie ihm zu, doch die Hoffnung erstarb rasch, und Unbehagen trat in ihre Augen. Snog Nutt sagte be-kümmert: >Er hat versprochen, er würde mir mein undichtes Dach flicken, ehe der Regen kommt, aber er ist fortgezogen, ohne es zu tun, und er ist nicht zurückgekommen.
Unvermittelt fand er sich in Caithnard, wie ein Wilder gegen eine Tür trommelnd; Rood, der sie mit flatterndem, schwarzem Ärmel aufriß, sagte ärgerlich: >Du kommst zu spät. Außerdem ist sie die zweitschönste Frau von ganz An; sie kann keine Vesta heiraten.< Als Morgon sich umdrehte, sah er einen der Großmeister durch den Flur gehen. Er rannte, ihn einzuholen. Der gesenkte Kopf unter der Kapuze hob sich endlich auf sein Flehen; Großmeister Ohms Augen trafen die seinen, ernst, vorwurfsvoll, und entsetzt blieb er stehen. Der Großmeister schritt von ihm fort, ohne ein Wort zu sprechen; und er sagte immer wieder: >Verzeiht mir, verzeiht mir, verzeiht mir.<
Dann stand er auf der Ebene der Winde. Es war dunkel; stürmisch bewegt lag das Meer blaugrün im gespenstischen Licht einer mondlosen Nacht; so nahe, daß er das Licht von Danans Haus sehen konnte, stand der Berg Isig. Irgend etwas braute sich in der Finsternis zusammen; er konnte nicht sagen, ob es
Sturm oder Meer war; er wußte nur, daß eine Ungeheuerlichkeit sich dort erhob, riesengroß, namenlos, unerbittlich, die alle Kraft, alle Gesetze und Regeln, alle Lieder, Rätsel und Geschichten in sich einsog, um sie auf der Ebene der Winde zum Chaos zu zersprengen. Verzweifelt begann er zu laufen, um Schutz zu suchen, während der Sturm heulte und das Meer, das eine halbe Meile entfernt war, Wellen emporschleuderte, die so hoch waren, daß die Gischt ihm ins Gesicht spritzte. Er strebte dem Licht von Danans Haus zu. Langsam ging ihm auf,
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