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Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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Niemand erkannte sie, doch die allgemeine Neugier schlug hohe Wellen, als sie wieder ausliefen, und die Briefe mit den verwunderlichen Adressen taten nichts, diese Neugier zu stillen.
    Drei Tage später, am späten Vormittag, erreichten sie Kraal.
    Die Häuser des Städtchens, das sich auf beiden Ufern des Winter ausbreitete, waren rohe Bauten aus dem Stein und dem Holz von Osterland. Jenseits sahen sie zum ersten Mal aus unmittelbarer Nähe das wilde, fichtengrüne Land und die fernen dunstverschleierten Berge. Im Hafen wimmelte es von Handelsschiffen, Barken mit blankblitzenden Reihen senkrecht gestellter Ruder, Flußboote, die gemächlich die tiefen, grünen Wasser hinaufkrochen.
    Bri, der das Schiff mit äußerster Vorsicht durch das Gewühl manövrierte, schien jedes auch noch so leichte Erzittern des Holzes unter seinen Füßen, jedes Fältchen, das sich in den Segeln zeigte, in seine Berechnungen miteinzubeziehen. Einmal nahm er dem Steuermann das Rad ab. Rendel hörte ihn sagen: »Bei dieser Strömung muß es einem ja Entenmuscheln vom Rumpf reißen. So hoch habe ich das Wasser noch nie erlebt. Da oben am Paß muß der Winter fürchterlich gewesen sein...«
    Ganz unerwartet fand er im überfüllten Hafen einen Anlegeplatz; der Anblick der blau-violetten Segel des Königs von An und der sonderbar zusammengewürfelten Gesellschaft an Bord des Schiffes gab unter den scharfäugigen Händlern zu allerlei Mutmaßungen Anlaß. Die Frauen, die an der Reling standen, waren schon erkannt, noch ehe das Schiff richtig vertäut war. Tristan blieb der Mund offen stehen, als von einem benachbarten Schiff ein Ruf über das Wasser schallte, in dem ihr Name in Verbindung mit einer wenig schmeichelhaften Frage nach Bri Corvetts Geisteszustand genannt wurde.
    Bri ignorierte den Rufer, doch sein sonnenverbranntes Gesicht schien sich noch tiefer zu röten. Als der Laufsteg herabglitt, sagte er zu Rendel: »Ihr werdet in dieser Stadt keinen Frieden haben, aber wenigstens habt Ihr guten Begleitschutz, wenn Ihr das Schiff verlassen wollt. Ich will versuchen, eine Barke und Ruderer zu besorgen; es wird eine langsame Fahrt werden und teuer dazu. Aber wenn wir warten, bis die Schmelzwasser versiegen und ein halbwegs anständiger Wind zum Segeln aufkommt, dann könnten wir es erleben, daß die Morgol selbst sich zu uns gesellt. Und das wäre für diese schwachköpfigen, schnattermäuligen Klatschbasen, denen bald alle Zähne aus dem Mund fallen, wirklich gefundenes Fressen.«
    Mit der Tatkraft, die, wie Rendel vermutete, der Angst entsprang, im Getümmel plötzlich die leuchtenden Segel eines Kriegsschiffes von Ymris zu entdecken, gelang es ihm, bis zum Abend eine Barke samt Besatzung und Vorräten zu besorgen. Als sie, Lyra, Tristan und die Wachen nach einem geschäftigen Nachmittag unter neugierigen Fallenstellern, Händlern und Bauern zurückkehrten, sahen sie gerade noch, wie ihre Pferde und ihr Gepäck auf die Barke verladen wurden. Sie gingen an Bord des niedrigen, uneleganten Fahrzeugs und fanden nur eng zusammengepfercht genug Schlafplatz. Das Boot glitt in den düsteren Morgenstunden, während sie noch schliefen, aus Kraal hinaus.
    Die Fahrt stromaufwärts ging nur langsam voran, war mühsam und beschwerlich. Die Schmelzwasser hatten Dör-fer und Bauernhöfe überflutet. Erst jetzt versickerten sie langsam, ließen entwurzelte Bäume, tote Tiere, Felder von Schlamm und Morast zurück. Immer wieder mußte Bri anhalten, um Wurzelwerk, Zweige und zertrümmerte Möbel-stücke loszureißen, die ihnen den Weg versperrten. Einmal befreite ein Ruderer, der sie von einem finsteren, aufge-schwemmten Erdhügel abstieß, etwas, das aus einem toten-bleichen, formlosen Gesicht flüchtig zur Sonne hinaufstarrte, ehe die Strömung es fortspülte. Rendel zog es die Kehle zusammen und sie hörte Tristans erstickten Schrei. Die Wasser selbst schienen unter den flirrenden Schatten der Bäume leblos und grau, wie sie vom Haus des Erhabenen herbeiströmten. Nachdem sie eine Woche lang zwischen Bäumen hindurch zugesehen hatten, wie Männer die Bretter zerstörter Scheunen und die Kadaver von Tieren aus ihren Feldern räumten, wie namenlose Dinge sich beim Schlag ei-nes Ruders bis zur Augenhöhe aus dem tiefen Wasser hoben, zeichneten Furcht und Unbehagen selbst die Gesichter der Wachen.
    Lyra flüsterte Rendel einmal zu: »Kommt es so vom Erlenstern-Berg herunter? Das macht mir Angst.«
    An der Gabelung, wo der Winter sich von der Öse trennte, wurde

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