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Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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verbreiten.«
    Lyra drehte sich um. Ihr Gesicht war bleich und ohne Tränen.
    »Wo ist er? Morgon?«
    »Er sagte mir, er wollte nach Yrye, um mit Har zu sprechen. Gestaltwandler sind ihm auf den Fersen. Er wandert von Ort zu Ort und nimmt aus Furcht immer neue Gestalten an. Sobald er um Mitternacht mein Haus verlassen hatte, war er verschwunden - ein Eschengesträuch, ein kleines Nachttier - ich weiß nicht, was für eine Gestalt er annahm.« Einen Moment lang schwieg er, dann fügte er müde hinzu: »Ich riet ihm, Thod einfach zu vergessen. Ich sagte, die Zauberer würden ihn früher oder später töten, daß er selbst mit gewaltigeren Mächten in der Welt streiten müßte; doch er sagte mir, daß er manchmal, wenn er schlaflos, mit entleertem Geist dalag, ausgehöhlt von Ghistleslohms Schürfen, und sich an seine Verzweiflung klammerte wie an einen Fels in der Brandung, weil das das einzige war, von dem er wußte, daß es ihm gehörte, das er dann manchmal hören konnte, wie Thod auf seiner Harfe neue Lieder zusammensuchte. Ghisteslohm, die Gestaltwandler, die kann er bis zu einem gewissen Grad begreifen; Thod aber kann er nicht begreifen. Er ist tief verletzt worden, er ist sehr bitter. «
    »Ihr sagtet doch, es ginge ihm gut«, flüsterte Tristan. Sie hob den Kopf. »Wo liegt Yrye?«
    »Kommt nicht in Frage!« rief Bri Corvett mit Nachdruck. »Oh, nein. Außerdem hat er Yrye inzwischen gewiß verlassen. Nicht einer von Euch geht auch nur einen Schritt weiter nach Norden. Wir segeln schnurstracks wieder den Winter hinunter zum Meer und dann nach Hause. Wir alle. In dieser Geschichte stinkt etwas wie ein ganzer Schiffsbauch voll verfaulter Fische.«
    Keiner sagte etwas. Tristans Augen waren verborgen, doch Rendel sah den eigensinnigen Trotz in ihrem vorgeschobenen Kinn. Lyras Rücken war wie ein unausgesprochener, hartnäckiger Widerspruch. Bri legte das Schweigen auf seine Art aus und machte ein befriedigtes Gesicht.
    Ehe ihm jemand die Illusion rauben konnte, sagte Rendel hastig: »Danan, vor mehr als einem Monat verließ mein Vater in der Gestalt einer Krähe An, um herauszufinden, wer den Sternenträger getötet hat. Habt Ihr etwas von ihm gesehen oder gehört? Ich glaube, er wollte zum Erlenstern-Berg; es könnte sein, daß er hier vorbeigekommen ist.«
    »Eine Krähe?«
    »Nun, ja, er - er hat etwas von einem Gestaltwandler.«
    Danan krauste die Stirn.
    »Nein. Es tut mir leid. Ist er geradewegs zum Erlenstern-Berg gezogen?«
    »Das weiß ich nicht. Bei ihm weiß man nie, was er vorhat. Aber warum? Ghistleslohm hält sich doch gewiß jetzt nicht in der Nähe des Passes auf.«
    Plötzlich erwachte eine Erinnerung in ihr von den stillen grauen Wassern des Winter, die, vom Paß herunter fließend, gesichtslöse, gestaltlose Formen des Todes aus ihren Tiefen emporgespült hatten.
    »Danan«, flüsterte sie, »ich verstehe das alles nicht. Wenn Thod dieses ganze Jahr bei Ghistleslohm war, warum hat uns dann nicht der Erhabene selbst vor ihm gewarnt? Wenn ich Euch sagte, daß wir vorhaben, morgen aufzubrechen, um den Paß zu überqueren und zum Erlenstern-Berg zu ziehen, um mit dem Erhabenen zu sprechen, welchen Rat würdet Ihr uns dann geben?«
    Seine Hand hob sich in einer kleinen, beschwichtigenden Geste.
    »Geht nach Hause«, sagte er sanft. Doch er sah ihr dabei nicht in die Augen. »Laßt Euch von Bri Corvett nach Hause bringen.«
    Nach dem Gespräch und nachdem Danans Tochter Vert ihnen ihre Schlafräume im Turm gezeigt hatte, saß sie bis spät in die Nacht hinein in Gedanken versunken. Klamme Kälte ging von den schweren Steinen aus; der Berg war noch nicht ganz in der Hand des Frühlings, und sie hatte im Kamin ein kleines Feuer angemacht. Die Arme um die Knie geschlungen, starrte sie in die unruhigen Flammen. Wie Gedanken flatterte ihr Widerschein in ihren Augen. Bruchstücke von Wissen, das sie besaß, stiegen empor; auf immer neue Art verwob sie sie miteinander, ohne daß sie Gestalt gewannen. Irgendwo unter ihr, das wußte sie, waren die toten Kinder der Erdherren; das Feuer, das unter ihren Händen flackerte, hätte vielleicht ihre Gesichter aus der Finsternis gehoben, doch es hätte sie niemals erwärmt. Die Sterne, die in derselben Finsternis geboren und in Danans Haus ans Licht gebracht worden waren und ihre Gestalt erhalten hatten, hätten wie Fragen in der Flamme gebrannt, doch losgelöst aus einem größeren Zusammenhang boten sie kaum eine Antwort. Der Gedanke an sie entzündete ihren Geist

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