Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
ihn aus einem Weinschlauch. Da trat sie schließlich dicht heran und hielt ihre Hände über das Feuer. Sie taten ihr weh; sie drehte sie um und sah die Risse von den Dornen, die weißen Blasen von den Brennesseln.
»Ich habe Wasser. «, begann er und verstummte.
Sie blickte zu ihm hinunter, sah zu, wie er aus einem anderen Schlauch Wasser in eine Schale goß. Seine Finger zitterten ein wenig, als er den Schlauch verkorkte; er sagte nichts mehr.
Sie setzte sich schließlich, wusch sich den Schmutz und das verkrustete Blut von den Händen. Er reichte ihr Wein, Brot und Fleisch, immer noch schweigend, trank bedächtig von seinem Wein, während sie aß.
»Morgon«, sagte er dann, und seine Stimme glitt so ruhig in die Stille hinein, daß sie sie nicht erschreckte, »hätte ich wohl des Nachts an meinem Feuer zu sehen erwartet, oder auch einen der fünf Zauberer, kaum aber die zweitschönste Frau der Drei
Teile von An.«
Zerstreut blickte sie an sich hinunter.
»Ich glaube nicht, daß ich das jetzt noch bin.« Ein plötzlieher Schmerz schnürte ihr die Kehle zu, als sie hinunterschluckte; sie legte das Brot weg und flüsterte: »Selbst ich habe mich verwandelt. Selbst Ihr.«
»Ich war immer ich selbst.«
Sie blickte auf das feingeschnittene, unergründliche Gesicht, auf dem ein ungekannter Schatten von Spott lag.
»Und der Erhabene?« fragte sie. »Für wen habt Ihr über so viele Jahrhunderte die Harfe gespielt?«
Beinahe heftig beugte er sich vor, das einschlafende Feuer anzuschüren.
»Ihr wißt genug, die Frage zu stellen; Ihr wißt die Antwort. Die Vergangenheit ist vergangen. Ich habe keine Zukunft.«
Ihre Kehle brannte. »Warum? Warum habt Ihr den Sternenträger verraten?«
»Ist es ein Rätselspiel? Ich gebe Antwort für Antwort.«
»Nein. Keine Spiele.«
Sie schwiegen wieder. Rendel trank ihren Wein und spürte, als sie langsam wieder zum Leben erwachte, das feine Brennen der Kratzer auf ihrer Haut, das Schmerzen der überanstrengten Muskeln. Er goß ihr frisch ein, als sie ihren Becher geleert hatte. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich leicht und unbefangen in seiner Gegenwart, als hockten sie zusammen in demselben schwarzen Loch des Kummers.
»Einen Harfenspieler hat er schon getötet«, sagte sie, das Schweigen brechend.
»Was?«
»Morgon.« Sie bewegte sich, rückte weg von dem Sehnen, das der Name in ihr wachrief. »Ylons Vater. Morgon tötete Ylons Vater.«
»Ylon«, sagte er tonlos, und sie hob den Kopf, sah ihm in die Augen. Dann lachte er, die Hände starr um seinen Becher gelegt. »So. Das also hat Euch in die Nacht hinausgetrieben. Und Ihr glaubt, daß es mitten in diesem Chaos von Bedeutung ist?«
»Es ist von Bedeutung! Ich habe die Gaben eines Gestaltwandlers geerbt - und ich kann es spüren! Wenn ich den Arm ausstreckte und das Feuer berührte, könnte ich es in meiner Hand halten. Schaut. «
Der Wein vielleicht, seine Gleichgültigkeit, ihre eigene Hoffnungslosigkeit vielleicht machten sie leichtsinnig. Sie streckte die Hand aus, hielt sie in regloser Liebkosung an die Hitze und den schlangelnden Leib einer Flamme. Ihr Widerschein flackerte in Thods Augen; ihr Licht lag eingebettet in den Furchen und Mulden des Steinbrockens, an den er gelehnt saß, malte die Linien alter Baumwurzeln nach, so daß sie sich zu entwirren schienen. Sie ließ den Widerschein in sich hinein, folgte jedem Wechsel von Farbe und Bewegung, jedem Verbleichen und geheimnisvollen Wiederaufleben aus dem Nichts. Das Feuer war ein fremdartiger Stoff, der die Dunkelheit auffraß und niemals verging. Seine Sprache war älter als die Menschen. Es war ein Gestaltwandler; es suchte die Gestalt ihres Geistes anzunehmen, während sie es beobachtete, fühlte ihre Augen, und sie sah ein losgelöstes Blatt, das in einer schimmernden, brennenden Träne durch die Dunkelheit zu Boden fiel. Tief aus ihrem Inneren, aus dem Dunkel eines bis dahin verschütteteten Erbes, blitzte wie Feuerstrahl das Begreifen. Das klare, wortlose Wissen um das Feuer erfüllte sie; sachtes Knistern und Zischen wurde zur Sprache, unablässiges Züngeln und Flackern bekam einen Sinn, und die Farbe des Feuers wurde zur Farbe der Welt, zur Farbe ihres Geistes.
Da berührte sie eine Flamme, hielt sie in der Hand wie eine Blume. »Schaut«, sagte sie atemlos und schloß die Hand darum, löschte das Flämmchen, ehe das verwunderte Staunen in ihr das Band zwischen ihnen zerriß, und es tat ihr weh. Finsternis hüllte sie wieder ein, als das
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