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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Colin konnte ihn mal kreuzweise. Er hatte einen Draht zu Emily gefunden. Und er hatte einen Vorwand, um sich noch mal bei ihr zu melden. Sobald er mehr wusste.
     
    Colin war wieder da. Als wäre nichts gewesen, lehnte er an seinem Spind, grinste Nick ins Gesicht und warf seine Dreadlocks über die Schultern. »Ich hatte die Halsentzündung meines Lebens«, sagte er und deutete auf seinen Schal. »Da war auch nichts mit telefonieren. Totale Heiserkeit.«
    Nick suchte nach der Lüge in Colins Gesicht, doch er wurde nicht fündig. »Betthany ist ausgeflippt wie noch nie«, sagte er. »Warum hast du dich nicht krankgemeldet?«
    »Och. Mir ging’s echt dreckig. Der Alte soll sich nicht so haben.«
    Nick wählte seine nächsten Worte mit Vorsicht. »Muss echt ansteckend sein, deine Krankheit. Vorgestern waren wir nur acht Leute. Ein absoluter Minusrekord.«
    Wenn Colin erstaunt war, zeigte er es nicht. »Kann doch vorkommen.«
    »Jerome hat auch gefehlt.«
    Es war nur ein winziges Zucken seiner Augenlider, das Colins plötzlich gewecktes Interesse verriet. Sofort hakte Nick nach. »Apropos Jerome: Sag mal – was war das, was du ihm letztens gegeben hast?«
    Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Das neue Album von Linkin Park. Sorry, ich weiß, dir soll ich es auch kopieren, kriegst es bis morgen, okay?« Damit knallte er seine Spindtür zu, klemmte sich die Mathebücher unter den Arm und sah Nick auffordernd an. »Na? Können wir?«
    Mit einem Ruck schüttelte Nick die Starre ab, in die Colins Erklärung ihn versetzte hatte. Linkin Park! Bildete er sich all den Verschwörungskram nur ein? Was, wenn seine Fantasie ihm einen Streich spielte und eine Grippewelle die Ursache für die fehlenden Schüler war? So viele waren es bei näherer Betrachtung eigentlich gar nicht. Nick zählte schnell durch, als er kurz vor dem Läuten die Klasse betrat. Häkelschwester 2 fehlte, außerdem Jerome, Helen und der stille Greg. Die anderen lümmelten mehr oder minder verschlafen in den Bänken herum.
    Okay, dachte Nick. Dann habe ich mir das eben alles eingebildet. Kein großes Geheimnis – nur Linkin Park. Er grinste über sich selbst und drehte sich zu Colin, um ihm Betthanys gestrigen Wutanfall zu schildern. Doch Colin beachtete ihn nicht, er sah konzentriert zu Dan hinüber, der an seinem Stammplatz beim Fenster stand. Dan hielt, halb von seinem Bauch verdeckt, vier Finger hoch. Colin hob anerkennend die Augenbrauen und streckte drei Finger aus.
    Nicks Blick schoss zwischen den beiden hin und her, doch bevor sich eine Möglichkeit ergab, Colin zu fragen, was hinter diesen Fingerzeichen steckte, betrat Mr Fornary die Klasse. Er schlug ihnen eine Stunde lang derart heftige mathematische Probleme um die Ohren, dass Nick am Ende keine Zeit mehr hatte, an so simple Dinge wie drei oder vier ausgestreckte Finger zu denken.

2.
    Auf dem Küchentisch lagen Geld und ein Einkaufszettel von sagenhafter Länge. Mum hatte Dauerwellen-Großeinsatz. Als hätte der Herbst in Londons Frauen ein Bedürfnis nach frisch gelocktem Haar geweckt. Mit gerunzelter Stirn studierte Nick die Liste. Tiefkühlpizza ohne Ende, außerdem Lasagne, Fischstäbchen und Fertignudelgerichte. Das sah nicht so aus, als hätte Mum für die nächste Zeit geplant, selbst zu kochen. Er seufzte, griff sich drei von den großen Einkaufstaschen und machte sich auf den Weg zum Supermarkt. Dabei fielen ihm Dans Handzeichen wieder ein und Colins stumme Antwort darauf. Sah er Gespenster? Dieser Meinung war nämlich Jamie. »Dir ist langweilig, Großer«, hatte er festgestellt. »Du brauchst ein Hobby oder eine Freundin. Soll ich dir ein Date mit Emily klarmachen?«
    Nick schnappte sich einen Einkaufswagen und schüttelte alle Gedanken an die Schule ab. Jamie hatte recht, es war besser, sich um reale Probleme zu kümmern. Zum Beispiel um die Frage, wie um alles in der Welt er die von Mum notierten zwanzig Flaschen Wasser heimschleppen sollte.
     
    Als er am nächsten Tag die Schule betrat, sirrte die Luft vor Aufregung. In der Eingangshalle waren viel mehr Schüler versammelt als sonst, meist standen sie in kleinen Grüppchen. Sie flüsterten, raunten, ihre Gespräche verschmolzen zu einem Klangteppich, aus dem Nick keine einzelnen Worte heraus hören konnte. Die allgemeine Aufmerksamkeit galt zwei Polizisten, die zielstrebig auf den Korridor zugingen, der zur Direktion führte.
    In einer Ecke, nicht weit von der Treppe entfernt, entdeckte Nick Jamie, in eine intensive

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