Erfindergeist
lassen?«
»Nein, die brauchen wir nicht. Ich kenne diese Sachen. Am besten, Sie lassen alles liegen und begnügen sich damit, mir zuzuschauen.«
Jutta grinste. Seit wir in den Keller gegangen waren, hatte sie kein einziges Wort mehr gesagt. »Kann ich dir wenigstens helfen, Reiner? Soll ich mal diesen Schrank untersuchen?«
»Ja, klar, mach das. Pass aber auf, Jacques hat mit Ratten experimentiert.«
Jutta konnte ich so leicht nicht reinlegen, sie war meine Späße mittlerweile gewohnt. Zielstrebig öffnete sie die quietschende Tür.
»Boah, stinkt es hier drin nach Qualm. Was kann das bloß sein?«
»Qualm? Lass mal riechen.« Schlagartig wurde mit klar, was hier nicht stimmte. Schon draußen im Kellervorraum war mir aufgefallen, dass etwas anders war als sonst. Ich trat neben Jutta, atmete die übel riechende Luft ein und unterdrückte mühevoll ein Husten. »Da haben wir den Beweis. Draußen im Flur stinkt es genauso, nur schwächer als hier.«
»Würden Sie mich freundlicherweise aufklären, Herr Palzki? Was hat es mit diesem Tabakrauch auf sich?«, wollte KPD wissen.
»Hier unten stinkt es nach Tabakqualm, dabei war Jacques überzeugter Nichtraucher.«
»Sie meinen, der Einbrecher hat geraucht? Das spricht eindeutig für meine Theorie, das ein unvorsichtiger Gelegenheitsdieb am Werk war.«
»Oder ein erstklassiger Profi, der über Leichen geht!«
»Über Leichen geht? Wollen Sie damit andeuten, dass …«
»Ja, genau. Ich bin mir inzwischen sicher, dass Jacques nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen ist.«
»Schaut mal, was ich gefunden habe«, unterbrach uns Jutta. Sie hatte sich unter einen der Tische gebückt und einen kleinen Gegenstand aufgehoben. Jetzt erst bemerkte ich, dass sie Einweghandschuhe trug. Im Grunde eine sehr vernünftige Idee. Eigentlich hatte ich auch immer ein Paar griffbereit in meinem Einsatzkoffer, doch meist dachte ich nicht daran, sie zu verwenden. Da auch mein Vorgesetzter kein Freund von Handschuhen zu sein schien, ließ ich meine Beobachtung unkommentiert.
»Was ist das? Ein Joint?«, fragte Jutta.
Nein, so hatte ich die Dinger nicht in Erinnerung. Zugegeben, ich hatte noch nie einen geraucht. Nachdem es mir bei meinen ersten Rauchversuchen mit 14 oder 15 Jahren sterbenselend geworden war, hatte sich das Thema Rauchen bei mir erübrigt. Wie eine gewöhnliche Zigarette mutete dieses Teil dagegen auch nicht an. KPD riss mich aus meinen Überlegungen. »Aha, eindeutig eine Papirossa!«
»Eine was, bitte?«, fragten Jutta und ich im Chor.
»Eine Papirossa. Das ist eine russische Zigarette. Wussten Sie das nicht? Das gehört fast zur Allgemeinbildung. Sehen Sie her, bei der Produktion dieser Zigaretten wird ein langes Pappmundstück gerollt. Der äußere Teil des Röhrchens wird mit Presstabak befüllt, der Rest bleibt leer.« Er genoss sein Wissen. Sichtlich warf er sich in die Brust, als würden wir ihm einen Orden anheften. »Tabak ist eines meiner Fachgebiete. Nur beim Wein kenne ich mich noch besser aus.«
Es war unglaublich. Jutta gab sich alle Mühe, die Zigarette zu bergen, ohne Spuren zu verwischen, doch KPD nahm sie ihr einfach ab und rollte den Glimmstängel zwischen seinen Fingern hin und her.
»Die ist noch komplett, wahrscheinlich ist sie aus der Schachtel gefallen. Denken Sie immer noch, dass es ein Profi war, Palzki?«
Ich überlegte. Ein Russe als Einbrecher? Oder war es jemand, der rein zufällig russische Zigaretten rauchte? Ein Deutscher, ein Franzose oder ein Jamaikaner? Ich ließ die Frage meines Vorgesetzten unbeantwortet.
Nach einiger Zeit brachen wir die Untersuchung ab, da sich keine weiteren Anhaltspunkte dafür fanden, dass dieser rauchende Einbrecher etwas gestohlen hatte. Unsere Vermutung, dass er sich wahrscheinlich bei den Papieren, die im Schrank lagerten, bedient hatte, konnten wir nicht belegen. Allerdings entdeckten wir mehrere Aschehäufchen auf den obersten Dokumenten im Schrank. In diesem alten Holzschrank hatte Jacques sämtliche Patente und Beschreibungen seiner Erfindungen abgelegt. Alles war ein chaotisches und unsystematisches Durcheinander. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mein Freund hier den Überblick behalten hatte.
»Nach Sachlage der Dinge sieht es für mich so aus, als hätte unser Einbrecher in den schriftlichen Unterlagen gewühlt«, fasste Jutta unsere Erkenntnisse zusammen, als wir bereits wieder oben im Hausflur standen. »Die Asche und der Rauch, der aus dem Schrank kam, könnten darauf
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