Erfindung der Violet Adams
seufzte.
»Ich denke, ich kann nicht erwarten, dass du dich so schnell in eine echte Dame verwandelst«, sagte Mrs Wilks und ging in die Küche, um nach der Köchin zu sehen. Ashton kicherte.
»Warum ist Weihnachten so viel los?«, fragte Violet. »War das immer so?«
»Wir müssen Besucher empfangen, vielleicht selbst Besuche machen, in die Kirche gehen, beim Weihnachtssingen erscheinen, spenden und Haus und Baum fertig schmücken. So ist es immer gewesen.«
»Ist es das?«
»In der Vergangenheit hast du dich nur stundenlang im Labor verkrochen.«
»Ich vermisse Vater«, sagte sie.
»Ich auch.«
»Ich denke Mrs Wilks auch.« Violet hielt inne. »Die Cousine des Dukes, Cecily, scheint sich in mich verliebt zu haben«, erzählte sie. »Sie will uns Weihnachten besuchen.«
Ashton brach in Gelächter aus. »Die, in die Jack sich verliebt hat und an die ich diese Liebesbriefe schreibe?«
»Ja.«
»Ich muss Illyria einen Besuch abstatten. Das Ganze kommt mir mehr wie ein Possenspiel als eine Schule vor.«
»Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Ich mag sie und wünschte, wir könnten Freundinnen sein, aber … «
»Aber du bist nicht der Mann, den sie liebt.«
»Stimmt.«
»Ich denke, du solltest tun, was du kannst, um mit ihr befreundet zu sein. Dann wird sie vielleicht, wenn sie die Wahrheit weiß und ihr Herz gebrochen ist, zurückschauen und verstehen, dass du es trotz der Lügen gut mit ihr gemeint hast.«
»Wahrscheinlich. Sie hat mich nach meiner Schwester gefragt. Ich habe mich sehr unwohl dabei gefühlt. Und sie ist das Mündel des Dukes. Ich habe ihr gesagt, dass ich es für unpassend halte, wenn wir uns so nahestehen, aber in Wirklichkeit habe ich Angst, die Aufmerksamkeit des Dukes zu erregen.« Violet sah in ihren Schoß hinunter. Ashton grinste, spürte aber auch einen Anflug von Unruhe.
Trotzdem sagte er nichts. Ihnen beiden bereitete es Sorgen, das Violet den Duke geküsst hatte.
»Die Köchin serviert das Frühstück sofort«, sagte Mrs Wilks, die wieder aus der Küche auftauchte. »Sie musste eine Zeit lang kein richtiges Essen mehr kochen, deshalb dauert es etwas länger. Violet, frühstückt Laetitia normalerweise?«
»Oh«, antwortete Violet. »Ich denke nicht, nein.« Mrs Wilks sah sie fragend an. »Sie ist sehr schottisch.«
»Nun gut, ich klingele trotzdem mal«, sagte Mrs Wilks und ging zurück in die Küche.
»Es ist Weihnachten«, sagte Ashton. »Lass uns versuchen, fröhlich zu sein und nicht an Illyria zu denken, wenigstens für eine kleine Weile, nicht?«
Violet griff nach der Hand ihres Bruders und drückte sie.
Die nächsten Tage gingen in einem Nebel aus Stechpalmen und Schnee ineinander über. Violet hatte das Gefühl, Weihnachten zum ersten Mal zu erleben. Früher hatte sie Geschenke geöffnet und Schneeflocken auf der Zunge zergehen lassen, die meiste Zeit jedoch damit verbracht, Schmuck für den Baum zu basteln oder wie in einem Jahr ein paar große gefiederte Flügel für den Engel in dem Krippenspiel, die sich auf Kopfdruck öffneten. Doch dieses Jahr ging sie zum Weihnachtssingen und besuchte die Nachbarn und brachte ihnen Plätzchen, die sie und Ashton gebacken hatten. Alle verhätschelten sie und sagten ihr, wie hübsch sie aussähe und was für eine schöne junge Frau sie geworden sei, und die Nachbarn mit heiratsfähigen Söhnen versicherten ihr, dass sie ihre Söhne daran erinnern wollten, sie und ihren Bruder während der Ferien zu besuchen. Violet fand das alles atemberaubend und seltsam, wundervoll und unangenehm. Nie hatte sie derart im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden. Manchmal hätte sie am liebsten laut geschrien, »Ich bin ein Genie!«, wenn man ihr sagte, wie hübsch sie war, als würde es sie in den Augen der Leute dumm machen, wenn sie nur ihre Schönheit sahen, und das fürchtete sie am meisten.
»Ich nehme an, dass es nett gemeint ist, wenn sie mir Komplimente machen«, sagte sie zu Ashton, als sie in der Kutsche nach Hause fuhren.
»Lass sie dir erst sagen, dass du schön bist, dann erzählst du ihnen von den Maschinen, die du erfunden hast, und zeigst ihnen, wie intelligent du bist. Du kannst noch so ölverschmiert aussehen oder einen Schraubenschlüssel hochhalten, niemand sieht, ob du ein Genie bist. Die Leute sehen, ob du schön oder hässlich bist. Sei dankbar, dass du schön bist.« Violet biss sich in die Unterlippe und runzelte die Stirn. Sie sah keinen Fehler in Ashtons Logik, aber sie gefiel ihr auch nicht. »Ich habe
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