Erfindung der Violet Adams
sich auf ihrem Stuhl zurück und fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen entspannt. Sie war von Freunden umgeben, womit sie beim Schmieden ihres Plans nicht gerechnet hatte. Doch hier saß sie, zusammen mit Jack, Drew, Toby, Miriam und sogar mit Fiona. Ihr war wärmer als noch vor wenigen Minuten, und das lag nicht am nur Feuer und dem Alkohol.
In den vergangenen Wochen hatte Violet diese Wärme nicht gespürt, dazu hatte sie zu intensiv gearbeitet. Sie war der Vollendung ihres Projekts näher, als sie zu diesem Zeitpunkt erwartet hatte zu sein. Sie wusste nicht, warum sie ihre gesamte Zeit im Labor verbrachte und so verbissen arbeitete, dass ihr Kopf schmerzte und ihre Augen überanstrengt waren; warum sie an ihren Abenden den Keller erforschte oder zu ergründen versuchte, warum der Zug nicht funktionierte. Sie hatte etwas von der Freude verloren, die sie anfangs darüber empfunden hatte, in Illyria zu sein. Die einzige Zeit, die sie wirklich genoss – mehr noch als die, die sie mit ihren Freunden verbrachte wie jetzt – , war die, wenn sie dem Duke schrieb. Da hatte sie den Eindruck, wirklich frei und sie selbst zu sein und dass ihre Vorstellungen respektiert wurden, obwohl sie eine Frau war. Sie dachte den ganzen Tag, wenn sie arbeitete oder wie jetzt im Wirtshaus saß, über seine Ideen nach. Und die Gedanken über seine Ideen führten oft zu Gedanken an ihn, an seine Augen und seine Lippen, und sie fühlte sich wie geschmolzenes Kupfer, wie eine brodelnde Flüssigkeit. Sie stellte sich vor, wie er sie auf den Hals küsste und seufzte.
Fiona beugte sich zu ihr hin und flüsterte ihr ins Ohr, »Ich kenne diesen Blick. Wenn du ein spezielles Mittel brauchst, um gewisse Bedürfnisse abzuschwächen, kann ich dir eins verkaufen.«
»Wie bitte?«, fragte Violet verwirrt.
»Nichts«, meinte Fiona und schüttelte den Kopf. Violet zuckte mit den Schultern. In der letzten Zeit hatte sie es genossen, Fiona in ihrer Nähe zu haben. Mit jemandem zu verkehren, der die Wahrheit über sie wusste, war in gewisser Weise eine Erleichterung. An manchen Abenden erwog sie, Drew, Toby und Miriam einfach die Wahrheit zu sagen. Sie glaubte nicht, dass es ihnen irgendetwas ausmachen würde, doch jedes Mal, wenn sie den Drang verspürte, biss sie sich auf die Zunge. Sie konnte sich nicht sicher sein. Aber es wäre schön. Sie hoffte, dass sie Freunde bleiben würden, wenn die Wahrheit ans Licht kam. An Abenden wie diesem wollte sie nicht, dass sich irgendetwas änderte. Sie trank ihr Bier aus und bestellte sich ein neues, und Jack klopfte ihr auf den Rücken und lächelte.
Ungefähr zur gleichen Zeit trank Ada ihren Brandy aus und stellte das leere Glas auf den Kartentisch im Wohnzimmer der Professoren. Valentine schenkte ihr nach. Er hatte sein Jackett ausgezogen und als Teil seines Einsatzes mitten auf den Tisch gelegt. Ada sah, dass er hoffte, sie würde es ihm gleichtun, doch wie viel sie auch trank, dazu würde er sie nicht bringen. Vor allem nicht in dieser Gesellschaft, zu der auch Professor Prism, Ernest und Cecily gehörten, die darauf bestanden hatte, aufzubleiben und Poker spielen zu lernen, jetzt aber zusammengerollt in ihrem Sessel saß und halb schlief.
Prism spielte mit seiner Brille, und eine blaue Linse fiel über sein linkes Auge, als er sich die Karten genau ansah. »Sie bluffen«, sagte er zu Valentine.
»Wie bitte? Können Sie mit Ihren Gläsern durch die Karten sehen?«, fragte Valentine.
Prism warf ihm einen finsteren Blick zu und legte die Hand auf den Tisch. »Call«, sagte er.
Valentine bluffte wirklich, doch Ada gewann das Blatt. Ada gewann immer. Sie zog Valentines Jackett über ihr Kleid. Es passte ihr verblüffend gut, aber Valentine hatte auch eine weibliche Figur. Valentine lachte und strich sich ein paar Haare aus dem Gesicht. Ada widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Stattdessen nahm sie die Karten und gab sie in die Mischmaschine.
»Ada«, sagte Ernest, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nippte an seinem Wein, »weißt du vielleicht, wo mein Vater die Pläne des Kellers abgelegt haben könnte?«
Ada teilte aus, als sie antwortete: »Ich habe gedacht, dass es für den Keller keiner Pläne bedurft hätte«, meinte sie.
»Das ist ein Labyrinth da unten«, sagte Prism und blickte in seine Karten. »Einmal habe ich neue Vorräte gebraucht und unten nach ihnen gesucht. Ich hatte das Gefühl, Stunden herumzuirren. Es war ein Wunder, dass ich überhaupt wieder herausgefunden
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