Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
glauben konnte, er suche Gerechtigkeit für den Mann Krüger um der Frau willen. Er saß vor seinem Manuskript. Sonst floß ihm seine Schriftstellerei aus dem Herzen. Er freute sich, wenn die Geschehnisse sich fein und spannend ineinanderfügten. Doch heute waren die Begebenheiten zäh, das Harte schmiegte sich nicht. Die Tücke ließ sich nicht fortblasen wie Staub. Er konnte das Schicksal der blonden Bauerntochter Vroni, die, in die Stadt verschlagen, dort verkannt, schließlich aber doch von einem Maler als großes Talent gewertet, ins gebührende Licht gestellt und geheiratet wird, er konnte dieses Schicksal nicht mit der Freude, Leichtigkeit, Überzeugung runden wie sonst. Das breite, bräunliche Gesicht Johannas drängte sich dazwischen mit den drei Falten über der stumpfen, lebendigen Nase und den grauen, zornigen Augen. Nein, es war leider nicht wegen der Frau, daß er sich um diese Geschichte mit dem Krüger kümmerte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn an ihm etwas in Unordnung gewesenwäre; das hätte sich bereuen lassen, einrenken. Aber so war etwas an seinem Land nicht in Ordnung. Die Zweifel, die ihn angefallen hatten, als seine biederen Bayern Revolution machten, nagten ihn stärker. Ungerechtigkeit war in der Welt, Ungerechtigkeit war in seinem Land. Man sah sie, sie spreizte sich in der Sonne, hatte jemand gesagt. Man hörte sie schreien und stellte sie nicht ab. Nein, da mußte er mit anpacken.
    Sein Appetit nahm ab, seine Atembeschwerden zu. Er ging finster und beschäftigt herum, ließ seine freundliche, betuliche Frau hart an, daß die rundliche Dame sich nicht mehr zurechtfand.
    Alle, er, Matthäi, Hessreiter, jetzt wieder ständig in Garmisch, waren erbittert gegen Tüverlin. Das Lockere an ihm, der Unernst, die billige Toleranz, die eine These gleichgültig fallenließ, wenn sie dem andern nicht paßte, das elegant Schlenkrige ärgerte die bayrischen Menschen. Er sei ein Floh, fanden sie, leicht, hüpferisch. Hessreiter war beleidigt, weil das Experiment mit der Besichtigung seiner keramischen Fabrik nicht geglückt war. Er ging nicht recht aus sich heraus, saß einsilbig herum, schmollte, daß Johanna ihm den Tüverlin offenkundig vorzog: sie war undankbar.
    Er schloß sich wieder enger an Frau von Radolny an, die im Garmischer Winter gute Figur machte. Stattlich anzusehen in ihrem Skianzug, trainierte sie auf den Sportplätzen, unprätentiös und sicher, fröhlich gerötet in der besonnten Kälte. Abends beim Tanz in den Hallen der großen Hotels oder in der »Puderdose« war sie selbstverständlicher Mittelpunkt. Von dem Kronprätendenten, der gern in ihrer Gesellschaft war, fiel mancher Strahl auf sie. Sehr klug, protegierte sie nach wie vor Johanna Krain. Die beiden Frauen waren täglich zusammen. Sie hoben einander, dienten sich zur Folie, die gelassene, üppige, kupferfarbene Schönheit Katharinas und die frische, resolute Johannas.
    Es dauerte länger als eine Woche, bis Frau von Radolny und Dr. Pfisterer erwirkten, daß der Kronprinz MaximilianJohanna empfing. Sie ging mit Pfisterer in die Villa, in der Maximilian wohnte. Ohne viel Hoffnung. Um so angenehmer war sie enttäuscht von dem anspruchslosen, herzhaften Mitgefühl des Kronprinzen. Da saßen diese drei bayrischen Menschen zusammen, der Prinz, die Frau, der Schriftsteller, und berieten miteinander, in der gleichen Mundart alle drei, wie man einem Mann, an dem einem lag, aus einer leider recht verzwickten Situation heraushelfen könnte. Dem Dr. Pfisterer, wie er diese seine beiden Landsleute sah, die tapfere Frau und den fürstlich wohlwollenden Mann, ging das Herz auf. Seine Besorgnisse schmolzen, sein Atem ging leichter. Die Revolution war eine schlimme Epoche gewesen; aber heute, in der Gegenwart dieser beiden Menschen, wußte er, sie ging ihrem Ende entgegen, alles wurde wieder gut. Er spürte, wie er anderntags die Schicksale der blonden, lebfrischen Vroni einem guten Schluß werde entgegenführen können.
    Johanna, als sie sich entfernten, strahlte nicht weniger als Pfisterer. Sie brannte darauf, von dieser offenbar erfolgreichen Unterredung Jacques Tüverlin zu erzählen. Noch immer nicht hatte sie mit ihm über Martin Krüger gesprochen, kein Wort von ihren Aussichten, ihren Schreibereien, Laufereien, der Unterredung mit dem Minister Heinrodt; nicht einmal über ihre Heirat mit dem Manne Krüger ein Wort. Es war durchaus möglich, daß Tüverlin davon nichts erfahren hatte. Vielleicht schwieg sie, weil sie sich ein

Weitere Kostenlose Bücher