Erfolg
Tüverlin.« Als das Café geschlossen wurde, stellte sich heraus, daß sie im gleichen Hotel wohnten; denn Herr Tüverlin hatte es auf die Dauer zu unbequem gefunden, sich immerzu von dem Haus am Berg durch den Schnee herunter- und wieder hinaufzuarbeiten. Er lud Pröckl ein, noch mit in sein Zimmer zu kommen. Durch die recht kalte Nacht gingen sie den kurzen Weg ins Hotel. Dort angelangt, mußte Jacques Tüverlin wieder ein Stück des Weges zurückgehen; denn er hatte vergessen, die Postkarte aufzugeben. Sie diskutierten lange in Jacques Tüverlins Zimmer, bis sich die Nachbarn mit immer steigender Energie über ihr Geschrei beschwerten. Sie beschimpften sich wüst und kamen zu keinem Ende. Als er sich von Tüverlin trennte, beschloß Kaspar Pröckl, der ursprünglich vorgehabt hatte, am frühen Morgen nach München zurückzukehren, seinen Aufenthalt in Garmisch bis zum Nachmittag zu verlängern, und verabredete ein Zusammentreffen mit dem Schriftsteller, um das Gespräch fortzusetzen.
20
Und dennoch: es ist nichts faul im Staate Bayern
Dr. Josef Pfisterer, Schriftsteller, wohnhaft in München, zur Zeit in Garmisch, vierundfünfzig Jahre alt, katholisch, Verfasser von dreiundzwanzig umfangreichen Romanen, vier Theaterstücken und achtunddreißig größeren Novellen, erwartete, nachdem er Johanna das Telegramm über die bevorstehendeAnkunft des Kronprinzen Maximilian geschickt hatte, er werde jetzt in Garmisch viel mit ihr zusammensein können. Statt dessen fand er sie immer in Begleitung dieses faden Jacques Tüverlin. Dr. Pfisterer ließ Menschen gerne gelten, aber der Tüverlin war ihm zuwider. Der warmblütige Bayer wurde gereizt, wenn er das nackte, zerknitterte Gesicht des Westschweizers blinzeln sah, die Gegenwart Johannas wurde ihm durch diesen Burschen verleidet.
Auch durch anderes wurde sein prinzipieller Frohmut angeknabbert. Der Fall Krüger nämlich wurde bei näherem Studium immer verdächtiger; es war schwer, ihn anders zu deuten denn als bewußte Rechtsbeugung. Er glaubte an sein Volk, er glaubte an seine Bayern. Es machte ihn krank, an der Gerechtigkeit des umgänglichen Landesgerichtsdirektors Hartl zweifeln zu müssen. Der Klenk gar, der dastand wie ein Baum, sollte der wirklich ein zynischer Verbrecher sein, imstande, einen Mann von vielem Verdienst ins Zuchthaus zu schicken, bloß weil ihm sein Programm nicht paßte? Undenkbar. Aber er mußte es dennoch denken, er wurde den Gedanken nicht los, senkte den ungefügen Nacken, stieß den großen, dichtgelockten Kopf mit dem Zwicker vor gegen ein Unsichtbares. Er war auf dem Herzen nie recht fest gewesen; jetzt litt er häufiger an Atemnot als früher, seine Welt wurde dunkler.
Nach wie vor gab es gereizte Auseinandersetzungen mit dem Dr. Matthäi. Der klobige Mann mit dem Kneifer auf dem zerhackten, bösartigen Mopsgesicht fühlte sich nicht behaglich in Garmisch. Er wollte in sein Haus am Tegernsee, zu seiner Jagd, seinen Hunden, seinen Geweihen, seinen Pfeifen, seinem Förster, seinen langsamen, schlauen Bauern. Aber die Insarowa hielt ihn. Er hatte Medizin studiert, war von äußerst materialistischen, auf derber Physiologie gründenden Anschauungen über Weiber, machte saftige Witze über jede erotische Bindung. Die schmächtige Russin sah ihn aus ihren schiefen Augen an, leckte die Mundwinkel, sagte irgend etwas Haarfeines, was der Bayer als übelsten, affektiertenFeuilletonismus abtat. Aber er blieb. Schickte, sich selber zum Hohn, der Tänzerin Schokolade, Blumen, Früchte. War gereizt gegen alle Welt. Behandelte den Pfaundler wie einen Haufen Dreck, hatte wüste Szenen mit ihm, weil er die Insarowa nicht genügend herausstelle.
Der sonst so friedfertige Pfisterer suchte geradezu Zusammenstöße mit ihm. Die beiden Männer machten ihr Leben herunter, ihr Werk, ihren Erfolg, ihren Leib und ihre Seele. Den derberen, kräftigeren Witz hatte der Dr. Matthäi, aber auch der Dr. Pfisterer wußte genau, wo der andere zu treffen war. Er erzählte ihm, man lege Wetten darauf, daß er bei der Insarowa nicht ans Ziel gelangen werde; aber, so viele bei der Russin ans Ziel gelangten, niemand wolle dagegenhalten. Der Dr. Matthäi trank sein Bier aus, paffte dem andern ins Gesicht, meinte, auch wenn der Krüger aus dem Zuchthaus komme, werde er, Pfisterer, nicht zu der Krain ins Bett kommen. Die beiden alternden, schwerblütigen Männer saßen nebeneinander, schnaufend, die Köpfe gegeneinanderduckend.
Dem Pfisterer fraß es am Herzen, daß man
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