Erfolg
Konjunktur noch anhielt. Man hatte ihm viel von Blut, aufgeschlitzten Pferdebäuchen und ähnlich Wüstem erzählt; er wartete neugierig, aufgekratzt.
Die Prozession am Vormittag hatte ihm großen Eindruck gemacht. Sachkundig, durch die Münchner Fronleichnamsprozession zum passionierten Kenner erzogen, hatte er alle Einzelheiten gewürdigt. In endloser Folge waren da an ihm vorbeigezogen die schweren, bunten Trachten der Geistlichen, die Heiligen, schimmernd in barbarischem Prunk, auf Bühnen, von vielen versteckten Männern in einem erregendendumpfen Gleichschritt herumgetragen, die strotzenden Uniformen der Offiziere und Beamten, die Kirchenbanner, der nie aufhörende Schatz der Kathedrale, der Pomp des aufgebotenen Militärs. Pferde, Männer, Kanonen. Hinschreitend das alles auf Blumen, dick über die Wege gegossen, unter Zeltdächern, die die Straße überspannten, sie vor der starken Sonne schützend, zwischen Teppichen aus allen Fenstern und Balkonen. Da schaute der Maler Greiderer.
Jetzt am Nachmittag saßen die Tausende der Prozession im Stierzirkus, füllten die weiten Stehreihen hoch hinauf in den blendenden Himmel, ließen die bunten Tücher die Brüstungen hinabhängen, warteten nach dem Weihrauch, den Märtyrern, der Heiligkeit des Vormittags schausüchtig auf das Blut der Stiere, die herausgerissenen Därme der Pferde, die in die Luft geworfenen, zertrampelten Männer. Verkäufer, Bier ausschreiend, Zuckerwaren, Obst, Programme, Fächer. Reklamezettel alle Bänke überflutend. Die grauen, riesigrandigen, kuchenförmigen Filzzylinder der Männer, die feierlichen Tücher der Frauen. Geschrei, Erwartung, Schweiß, Erregung.
Aber da ist schon die Quadrilla in die Arena eingezogen. Rasch, zu einer munteren Musik, marschieren sie, farbig, in Jäckchen, sehr bestickt. Verteilen sich schnell über den hellen Sand. Schon ist auch der Stier da. Stutzt, lange Stunden im Finstern gehalten, vor der tobenden Menge in dem grellen Licht. Stößt in weichende, rote Tücher. Da sind auch die Pferde, erbarmenswerte Klepper, mit verbundenen Augen, geritten von Lanzenträgern in gigantischen Steigbügeln. Der Stier, schwarz, geduckt, wuchtig, nimmt den dürren Gaul auf die Hörner, wunderlich langsam ihn mitsamt dem Reiter hintenüberwerfend. Das geschieht in unmittelbarer Nähe Greiderers, der unten sitzt, ganz vorn. Er sieht das rohe Gesicht des kostümierten Picadors. Es dröhnt und kracht, wie der Stier die Hörner in den Gaul hineinbohrt, Greiderer sieht ihn herumwühlen in den Därmen des Pferdes, die Hörner aus dem Bauch des Gauls herausreißen, überschwemmt mit Blutund Eingeweiden, wieder hinein, wieder heraus, Herrgottsakra, das ist schon was anderes als der Salonkitsch des Herrn Kollegen von der keramischen Serie »Stierkampf«. Die Erregung, die die dreizehntausend andern gepackt hat, greift über auf den bayrischen Maler Andreas Greiderer, schüttelt auch ihn.
Der Stier, abgelenkt durch die Tücher bunter Burschen, wendet sich einem neu herangeführten Gaul zu. Der Reiter reißt ihm mit der Lanze ein Stück Fleisch und schwarze Haut heraus. Der Stier wirft den Gaul um. Der wird, überdeckt mit Blut und Kot, zitternd, wieder hochgerissen, mit großer Mühe wieder gegen den Stier getrieben, jetzt von ihm mit den Hörnern gepackt, zerfleischt. Der Reiter hinkt hinaus. Der Gaul stöhnt, wiehert, will immer wieder hoch, bis ein Mensch mit einer roten Jacke ihn absticht.
Burschen mit kurzen, farbig bewimpelten Speeren stellen sich vor dem Stier auf. Einzeln, elegant, ihn durch schalkhafte Zurufe anfeuernd. Laufen ihm in die schnaubenden Nüstern, im letzten Augenblick ausweichend, ihm die buntbebänderten Speere ins Fleisch bohrend, daß sie steckenbleiben. Die Menge begleitet jede Bewegung je nach ihrer Kunst mit prasselndem Beifall, rasendem Widerspruch. Der Stier, gespickt mit den quälenden, farbigen Spießen, überrieselt von Bächen Blutes, rennt durch die Arena, wird von dem einen gestellt, von dem andern. Einen stößt er um, verwundet ihn, nicht ernstlich.
Jetzt tritt ein einzelner vor die Loge des Präfekten, nimmt den Zweispitz ab. Der Stiertöter. Es ist noch nicht Montilla II, doch ein Espada von Namen und Rang auch er, hochbezahlt. Er stellt den Stier. In der Linken hält er das rote Tuch, in der Rechten den Säbel. Mit dem Tuch aus ganz kurzer Entfernung lenkt er den Stier, auf Fußspitzen, mit geschlossenen Beinen, locker, kaltblütig, nur den Oberkörper nach der Seite drehend, daß das Tier
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