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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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an ihm vorbei ins Leere stürmt, wieder zurück. Wie eine Marionette am Draht lenkt er das wartende Tier, durch die winzigste Fehlbewegung sich mit Tod bedrohend.Jede Drehung wird von den Dreizehntausend mit Beifallsgeheul begleitet, so daß, da die Drehungen sich rasch folgen, hin, her, in ganz kurzen Abständen, der riesige Raum von den kurzen, rhythmischen Stößen des Beifalls schüttert.
    Jetzt aber ist es am Letzten. Der Espada steht, den Degen waagerecht an der Wange, zielend, dem Tier gegenüber, klein, elegant, die Schultern gespannt. Aber sei es, daß er Pech hat, sei es ein Kunstfehler: der Säbel dringt nicht ins Herz, das Tier schüttelt ihn ab. Die Menge pfeift, wütet.
    Der Maler Greiderer begriff nicht den Jubel des Publikums und nicht seine Wut; sein Nachbar suchte ihm die Regeln zu erklären, nach denen der Stier getroffen werden muß. Der Maler Greiderer versteht nicht recht: aber mit geht er. Er zittert mit in der Erregung der schreienden, pfeifenden, jubelnden Masse. Wie sein Nachbar, wie zahllose andere dem gefeierten Espada beim Umzug nach dem schließlich kunstvoll getöteten Stier ihre Hüte zuwerfen, da schmeißt auch der Maler Greiderer aus München seinen neu erstandenen spanischen Hut in die Arena, der fünfundzwanzig Peseten gekostet hat, gleich elfhundertsiebenundzwanzig Mark.
    Der Stier des vierten Kampfes wird ausgepfiffen. Er erweist sich als feig. Dieses Tier nämlich, als es nahe dem Ende ist, will niederträchtigerweise in Ruhe sterben. Es achtet nicht auf die prahlerischen, roten Tücher, nicht auf die hohnvollen Zurufe. Es ist groß geworden in einer Züchterei in der Nähe Córdobas, auf einer flachen Ebene mit gutem, kühlem Gras, unter einem weiten Himmel, bevölkert von vielen Störchen. Es ist groß geworden, dreitausendfünfhundert Peseten groß. Jetzt steht es da inmitten der Tausende, gespickt mit bunten Spießen, überschwemmt mit Blut, dumpf und schmerzvoll brüllend, Wasser lassend, süchtig nach Tod. An die Palisade drückt es sich, die Menschen sind ihm gleichgültig; selbst das Pulver und Feuer, das man ihm in den Nacken stößt, reizt das Tier nicht mehr. Es will nicht wieder in den Sand und die Sonne. Es will an der Palisade stehenbleiben, hier im Schatten, und sterben.
    Der Maler Greiderer schaute hin, versunken, das faltige, schlaue Bauerngesicht blaß vor leidenschaftlicher Anteilnahme. Er verstand nicht, was sich ereignete, warum die Leute brüllten, bald für den Stier, bald für den Fechter. Er hatte viele Leute sterben sehen, im Bett, im Krieg, in den Münchner Straßenkämpfen, bei Raufereien. Aber dieses Schauspiel in Blut, Sand und Sonne, dieser genau geregelte, sinnlose Kampf, dieses großartige und scheußliche Schauspiel, in dem zum Spaß der Zuschauer gestorben wurde, grauenvoll und sehr wirklich, von jämmerlichen Pferden, von wuchtigen Bestien und vielleicht auch von einem dieser elegant fechtenden Männer, riß an seiner schausüchtigen Seele mehr als jedes andere Sterben, das er gesehen hatte.
    Durch die abendlichen, belebten Straßen fuhr er dann in sein Hotel. Kinder spielten Stierkampf. Einer war der Stier, lief mit gesenktem Kopf einen anderen an, der ein Tuch schwenkte. Aber der Stier war mit der Haltung des Kämpfers nicht einverstanden und prügelte ihn durch. Der Maler Greiderer hockte im Wagen, das Gesicht finster vor Nachdenken. »Saugelump, dreckiges!« knurrte er, denkend an die keramische Serie »Stierkampf« seines Kollegen. Eingesenkt fortan blieb dem Maler Greiderer das Bild des wahren Stieres, an die Palisade gedrückt, Wasser lassend, sich nicht mehr kümmernd um Menschen, Säbel, bunte Tücher, nur mehr begierig, im Schatten zu sterben.
2
Ein Bayer in Paris
    Johanna saß in Paris. Wartete. Die Reise des Geheimrats Bichler nach Frankreich hatte sich verzögert. Der mächtige Mann war launisch; auch liebte er es, Zwielicht um sich zu verbreiten. Niemand wußte den Tag, an dem er eintreffen werde.
    Herr Hessreiter, mittlerweile, hatte es wichtig, besichtigte Betriebe, hatte Konferenzen, reiste herum. Er wollte ihr Menschen aller Art herbeischleppen; vielleicht konnte der eine oder andere ihr nützlich sein. Allein sie war ungläubig, zog es vor, viel allein zu bleiben.
    Sie war also befreundet mit diesem Manne Hessreiter. Es war schwer, gegen den umständlichen, liebevoll besorgten Herrn unhöflich zu sein. Er war gefällig, immer bemüht, sich in sie einzufühlen. Dennoch, es war ungerecht, reizte sie manchmal der ganze Mann.

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