Erfolg
ergriffen und in den Palast des Hohenpriesters geführt. Der Fuhrmann Daisenberger folgte ihm nach von fern bis in den Palast, ging hinein und setzte sich zu den Knechten, auf daß er sehe, wo es hinauswolle. Es wollte aber sehr übel hinaus und endete damit, daß alle sagten: »Er ist des Todes schuldig«, ihn sehr naturgetreu anspuckten, auf ihn losdroschen und ihn ins Gesicht hauten. Der Fuhrmann Rochus Daisenberger aber saß draußen im Hof, und es trat eine Magd zu ihm und sprach: »Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa.« Da schaute der Fuhrmann Daisenberger die Magd an, und seine kleinen Augen strahlten gar nicht mehr. Er murkste herum, hob die Achseln, ließ sie wieder fallen, hob sie nochmals, sagte schließlich: »Ich begreife gar nicht, wie du das sagen kannst«, wollte sich drücken. Aber da sah ihn eine andere und sagte zu denen ringsum: »Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth.« Da hob der Fuhrmann Daisenberger abermals die Schultern, und er ärgerte sich und verschwor sich und schimpfte: »Ich weiß gar nicht, was ihr alle wollt, ihr Hundshäuter. Ich kenne den Menschen nicht.« Und über eine kleine Weile sagte wieder einer: »Wahrlich, du bist auch einer von denjenigen. Deine Sprache verrät dich.« Da mandelte er sich aber mächtig auf, fuchtelte groß und heftig mit den Armen und fluchte: »Himmelsakra, ich kenne den Kerl nicht.«
Und alsbald krähte der Hahn.
Da sahen alle, wie Petrus Daisenberger an die Worte Jesudachte, da er zu ihm gesagt hatte: »Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal verleugnen.« Sie horchten auf, die Tausende in dem großen Holzbau. Es war ganz still, die Langeweile war fort. Sie sahen nur den Mann auf der Bühne, der seinen Meister verleugnete. Sie dachten nicht an Verrat, den sie gelitten, und nicht an Verrat, den sie geübt hatten. Nur der Boxer Alois Kutzner, er vielleicht am tiefsten ergriffen, dachte an den verratenen und gefangenen König Ludwig II.
Auf der Bühne aber der Apostel Petrus Daisenberger ging hin und weinte bitterlich, hemmungslos, schamlos, echt, wie er den Abend vorher getanzt hatte.
Während die meisten noch am gleichen Tag zurückfuhren, blieben Osternacher, Greiderer und sein Haserl in Oberfernbach. Denn Greiderer wollte den Petrus Daisenberger malen. Der Apostel Petrus sollte dasitzen, den großen Schlüssel in der einen Hand, mit der andern sich den Bart strähnend, zufrieden, leuchtend aus seinen kleinen, listigen, tiefliegenden Augen. Der Fuhrmann Daisenberger war auch einverstanden. Aber er verlangte Geld, und zwar ausländisches. Erst verlangte er einen Dollar, und als der Greiderer wahnsinnig mit ihm herumschimpfte, verlangte er zwei Dollar. Bis der Osternacher eingriff und zahlte. »Sehen Sie, meine lieben Herren«, sagte der Apostel Petrus treuherzig strahlend, freundlich lächelnd mit seinem Goldmund, »wenn man das kriegt, was man verlangt, hat man also den richtigen Preis gefordert.« Und er setzte sich zurecht mit seinem großen Schlüssel in die gewünschte Pose. Er erzählte bieder aus seinem Leben. Er war im Stall aufgewachsen, liebte seine Pferde. Er hatte als Bub viel mit den Pferden geredet, er verstand ihre Sprache. Glaubte sich, da ja auch der Heiland als Kind mit Stall und Krippe zu tun hatte, von Gott besonders begnadet. Es war schade, daß die Pferdefuhrwerke abkamen. Er hatte zwar seiner Stallung einen Autofuhrpark angegliedert, konnte gut chauffieren und erwies sich als geschickter Mechaniker: aber an einer Garage war weniger Heiligkeit alsan einer Krippe. Im übrigen wußte er Salben und Tränke nicht nur fürs Vieh, sondern auch für die Menschen. Wußte überhaupt viele Geheimnisse und war den andern im Dorf unheimlich mit seiner Tanzerei und seinem ganzen Krampf und Gewese. Aber da er fromm war und ein guter Kenner der Bibel, konnte man ihm nichts anhaben.
Mit dem Haserl fing er sogleich stark zu flirten an, und das Haserl flog auch auf ihn. Er saß, während der Greiderer seine Skizze machte, unbefangen da, durchaus nicht wie vor dem Photographen, naiv, schlau, dabei voll Würde. Er erzählte viel, versteckte nichts. Erzählte ohne weiteres, wie er während des Krieges für seine Söhne Druckposten ergattert hatte. Auch von seinen Weibern erzählte er. Er hatte offenbar eine verflixt geschickte Art, mit ihnen umzugehen. Auch daß er es auf dem Lande nicht mehr lange aushalten werde, erzählte er. Die Zeiten seien danach, daß es jetzt für einen Auserwählten in der Stadt München etwas zu
Weitere Kostenlose Bücher