Erfolg
das alles war sehr nach seinem Gusto. Aber er wollte mehr davon, als ihm hier in der Amerikanischen Bar geboten wurde. Herrschaftseiten! Aufhören mit dieser damischen Jazzmusik. Das landesübliche Zithertrio muß her. Der Rochus Daisenberger muß tanzen. Das soll großartig sein. Komisch und doch zum Fürchten.
Der Rochus Daisenberger wartete still, schlau, vergnügt. Er war ein älterer Mensch schon, ein großer, hagerer, mit einem schwarzmelierten Bart, gescheiteltem, langwallendem Haar, Goldzähnen. Über einer höckerigen Nase saßen kleine, tiefliegende, sehr blaue Augen, merkwürdig zu den dunklen Brauen. Er trug Sandalen und einen feierlichen, schwarzen Rock; denn er hatte eine feierliche Rolle in den Spielen, er war der Apostel Petrus, der den Herrn verleugnet.
Jetzt also, auf Betreiben des Greiderer, tanzte der Rochus Daisenberger zur Zither. Vertauschte die Sandalen umständlich gegen feste, genagelte Schuhe. Tanzte den landesüblichen Stampftanz, schuhplattelte . Sprang, schlug sich das Gesäß, stampfte. Schlug sich die Schuhsohlen. Holte sich eines der Mädchen. Umkreiste sie, springend, stampfend, balzend, während sie den Arm überm Kopf hochhob. Seine blauen, listigen, tiefliegenden Augen strahlten ungeheure Lust, sein Apostelbart flog, grotesk umwallte ihn der würdig lange, schwarze Rock, während er sich Gesäß und Schuhsohlen schlug. Er tanzte mit wilder Hingabe, schamlos. Alle hörten auf zu sprechen, schauten dem Alten zu, wie er besessen, lustig, ungeheuer eindeutig herumstampfte. Er kehrte seiner Tänzerin den Rücken. Immer tanzend, während sie zurück auf ihren Platz ging, näherte er sich einer eleganten Fremden, verneigte sich. Die Dame lächelte geniert, zauderte. Dann stand sie auf, machte die leicht zu erfassenden Drehungen, sonderbar umtanzt von dem hagern Apostel. Er schien unermüdlich;immer neue Variationen fand er. Die blasierten Fremden schauten ihm zu.
Andern Tages dann saß man in der primitiven Holzhalle, in der das Spiel vor sich ging. Das Spiel war Gestümper, steif und trocken, endlos, geschraubt, bürokratisch. Herr Pfaundler fand sich bestätigt. Hier erzielte man zwar noch ausgezeichnete Preise, während man in den Kirchen bereits froh war, wenn die Leute sich herbeiließen, gratis zu kommen. Aber er hatte schon den Riecher gehabt, als er absah von dem Passionsfilm und sich zu der Revue »Höher geht’s nimmer« entschloß. Immer lähmendere Langeweile verbreitete sich. Der Minister Flaucher, sehr gewillt, die fromme und volkstümliche Sache gut zu finden, rieb sich immer öfter zwischen Hals und Kragen, konnte, selbst er, eine wachsende Lust zu gähnen kaum bezwingen. Der Kronprinz Maximilian, gewohnt an Manöver und Disziplin, machte ungeheure Anstrengungen, die gebotene interessierte Miene festzuhalten. Er saß in guter Haltung inmitten seiner Herren; doch alle fünf Minuten mußte er die Lider hochreißen, daß sie nicht herabsanken, die Schultern hochdrücken, daß sie nicht erschlafften. Hier und dort, trotz der Heiligkeit, begann man verstohlen zu essen, versuchte sich durch heimliche Turnübungen den Schlaf fernzuhalten. Eine Erholung war es, flog einmal ein Vogel, ein Schmetterling über den offenen Bühnenraum.
Nur wenn der Fuhrmann Rochus Daisenberger vorkam, horchte man auf. Die andern hackten dressiert ihren armseligen Text herunter. Der Rochus Daisenberger blieb auch als Apostel Petrus er selber, eifernd, strahlend aus tiefliegenden, blauen Augen, häufig lachend mit seinen Goldzähnen, einen großen Teil Welt für sich beanspruchend. Jesus, von dem Schreinermeister Gregor Kipfelberger mühsam heruntergespielt, sagte zu ihm: »In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir.« Petrus Daisenberger aber erwiderte zuversichtlich: »Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so werde ich es doch ganz bestimmt nicht tun.« Jesus aber sprach zu ihm:»Wahrlich, ich sage dir: in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.« Aber der Fuhrmann Daisenberger trat jetzt dem etwas kleineren Jesus Kipfelberger ganz nahe, legte ihm die Hand auf die Schulter, strahlte ihn an und sagte ungeheuer zutraulich und bieder: »Geh zu. Und wenn ich mit dir sterben müßte, so will ich dich doch nicht verleugnen.« Er schüttelte die langen, gescheitelten Haare, lachte ihn treuherzig an mit seinem goldenen Mund. Alle Zuhörer glaubten ihm, und bestimmt auch glaubte sich der Fuhrmann Daisenberger selber.
Aber Jesus Kipfelberger wurde unsanft
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