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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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schmeckerisch, mit Genuß, und mit Genuß trank er von dem mit jedem Gericht gewechselten Wein. Er war lustig an diesem Abend, von behaglichem, gutmütigem Humor. Johanna versuchte, auf ihn einzugehen. Auch sie war aufgeräumt, liebenswürdig. Allein in ihrem Innern wurde sie immer stacheliger. Sie sagte sich, das sei unbillig: aber alles an ihm reizte sie. Sein gutgeschnittener Frack, sein fleischiges Gesicht mit dem kleinen Mund, seine Manschettenknöpfe, sein Appetit, seine umständlicheRedeweise. Sie sprach von den Dingen, über die sie gelesen hatte. Er war tolerant, ließ viel davon gelten; sie, nach der scharfen Beweisführung ihrer Bücher, war über diese vage Konzilianz doppelt erbittert. Sie ließ sich nichts merken, blieb höflich, lachte über seine Späße. Doch Herr Hessreiter, empfindlich für Schwingungen, konnte sich nicht verhehlen, daß das Festdiner zu zweien nicht geglückt war. Als sie sich trennten, küßte er ihr noch höflicher als sonst die Hand, und beide wußten, daß es zu Ende war.
    Am Sonntag darauf wurde in Deutschland abgestimmt über die Fürstenenteignung. Sollte ein Volksbegehren Gesetz werden, so mußte die Hälfte aller Wahlberechtigten ihre Stimmen abgeben. Es hatte sich nun bei jeder Wahl gezeigt, daß ein großer Teil der Stimmberechtigten unter allen Umständen zu Hause blieb. Die Gegner der Enteignung, mit primitiver Schlauheit, veranlaßten also ihre Anhänger, die Stimmen nicht abzugeben, und erreichten auf diese einfache Art, daß die Fürstenenteignung scheiterte, trotzdem die große Majorität der Deutschen sie wünschte.
    Herr Hessreiter und Johanna lasen von dem Ergebnis am Montag morgen. Sie sprachen nicht darüber.
    Am Montag mittag bekam Johanna von Dr. Geyer ein kurzes Schreiben. Durch die Berufung des Landesgerichtsdirektors Hartl zum Gnadenreferenten habe sich die Lage Martin Krügers geändert. Es sei freilich wenig gewonnen dadurch, daß an Stelle des Hartl ein anderer Richter des Dr. Klenk über das Wiederaufnahmegesuch zu befinden habe. Immerhin ermögliche die Berufung Dr. Hartls ins Ministerium eine neue, ihm nicht sympathische, doch nicht aussichtslose Taktik. Er schlage ihr vor, sich mit ihm über diese Möglichkeit mündlich zu unterhalten.
    Während sie den Brief las, wußte sie, daß sie schon vorher entschlossen gewesen war, nach München zu fahren.
    Herr Hessreiter, als sie ihm von ihrer Abreise sprach, stimmte höflich zu. Auch er habe die Absicht zurückzukehren, in etwa acht Tagen. So lange könne sie nicht warten, erwidertesie. Für welchen Tag also er ihr die Fahrkarte besorgen lassen dürfe, fragte er höflich. »Für übermorgen«, entschied sie.
    Er brachte sie zur Bahn. Sie sah aus dem Fenster des Coupés und sah interessiert, daß jetzt sein Schläfenbart fast ganz abrasiert war. Als der Zug abfuhr, stand er noch eine kleine Weile auf dem Bahnsteig. Dann atmete er stark, befriedigt, lächelte, summte jene kleine Melodie vor sich hin, die Johanna zwischen Lippen und Zähnen fast unhörbar hervorzubringen pflegte, setzte seinen Elfenbeinstock kräftig auf, begab sich, einen erfreuten und erfreulichen Brief Frau von Radolnys in der Tasche, zu Madame Mitsou.
15
Das Apostelspiel in Oberfernbach
    In der Amerikanischen Bar des Gebirgsdorfs Oberfernbach, zwischen Jazzmusik, einigen Einheimischen mit langen, salbungsvollen Bärten und vielen Münchnern saß mit dem Professor von Osternacher der Maler Greiderer. Jeder Stuhl des eleganten, modisch aufgemachten Lokals war besetzt. Denn trotzdem in diesem Jahr nicht das Passionsspiel selbst aufgeführt wurde, sondern nur ein Übungsspiel, zog der berühmte Name des Passionsdorfs zahllose Ausländer her. Zur Zeit der Urgroßväter hatten diese bayrischen Bauern ihr Spiel aufgeführt aus naiver Frommheit und aus herzhafter Freude am Komödienspiel: jetzt war die einfältige Weihe zur gut organisierten, rentablen Industrie geworden. Sie hatte dem Dorf eine Bahnlinie gebracht, Absatz für die Produkte seiner Holzschnitzereien, Kanalisation, Hotels. Heuer, während der Inflation, da man sich die einfältige Weihe in hochwertigem ausländischem Geld bezahlen ließ, war für die Oberfernbacher besonders gute Zeit.
    Dem Maler Greiderer schmeckte die Luft des heiligenDorfes ausgezeichnet. Die Berge, der sauber hergerichtete Ort, diese frommschlauen Bauern, wie sie auch im Alltag mit ihren biblisch langen Haaren und wallenden Bärten herumliefen, in Sandalen, bemüht um eine salbungsvoll papierene Redeweise,

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