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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Ditram. »München«, erwiderte Reindl, »München mit seiner halbbäurischen Bevölkerung ist das gegebene Zentrum einer kleinbürgerlichen Diktatur.« – »Was verstehen Sie unter kleinbürgerlich?« fragte immer gleich höflich Herr von Ditram, während man den Regen rinnen und aus dem Nebenzimmer einen der Haferltarockspieler sagen hörte: Was liegt, liegt. – »Kleinbürgerlich?« fragte Herr von Reindl nachdenklich zurück. Er wandte sich mit verbindlicher Arroganz an die um den Tisch. » Stellen Sie sich, bitte«, sagte er, »ein Weltbild vor, das bestimmt wird von einem ziemlich gesicherten Monatseinkommen zwischen zweihundert und tausend Goldmark. Die Menschen, die geboren sind für ein solches Weltbild, sind Kleinbürger.« Er musterte die Herren, einen nach dem andern, mit seinen gewölbten Augen.
    Die hörten, das Trommelfell gespannt, dem Gespräch zu. Sie blieben ganz still, der Regen rann, im Nebenzimmer pfiff einer der Tarockspieler die Stadthymne, das Lied von der Gemütlichkeit, die in München niemals aufhört. Kaum einer von diesen Beamten, Ärzten, ehemaligen Offizieren hatte auch in normalen Zeiten ein Monatseinkommen über tausend Mark. Machte er sich lustig über sie, der Protz, der verdächtige? Er drückte sich so geschwollen aus, man konnte ihn nicht recht fassen. »Ich gebe übrigens selbst Geld für den Kutzner«, hörte man ihn sagen, und alle waren froh, daß sie jetzt nicht aufbegehren mußten. Er lächelte dem lächelnden Ditram zu.
    Der und der Chefredakteur Sonntag atmeten im stillen auf, befreit. Wenigstens etwas Faßbares hatte der Reindl geäußert. Wenn er dem Kutzner Geld gab, so war er gegen Klenk, also einverstanden mit seinem Sturz. Geradezu fragte einer: nachdem der Klenk doch zweifellos ein begabter Hund sei, wie komme es, daß er sich in Bayern so gar nicht durchsetzen könne? Er sei doch in seinem ganzen Wesen ein Urbayer. »Das kommt, meine Herren«, sagte Reindl, »weil er die Spielregeln nicht versteht.« – »Welche Spielregeln?« fragten sie. »Um in Bayern zu regieren«, sagte der Reindl, »muß man sich auf die Spielregeln verstehen. In Bayern muß man, damit die Volksseele kocht und wieder still wird, simplere Mittel anwenden als in der übrigen Welt. Anderswo muß man krumm regieren: in Bayern senkrecht.« – »Ich glaube«, sagte plötzlich ungewohnt entschieden Herr von Ditram, »daß der Minister Klenk diese Spielregeln sehr genau kennt.« – »Dann wird er eben dafür zahlen müssen«, sagte liebenswürdig der Reindl, »daß er sie nicht anwenden mag .« Nachdenkliches Schweigen. Man hörte bloß die aufklatschenden Karten der Tarockpartie nebenan und vom andern Tisch her die joviale, siegessichere Stimme des Hartl.
    Als bald darauf der Reindl aufbrach, fragte einer am Tisch seinen Nachbarn, warum eigentlich dieser Herr der Fünfte Evangelist genannt werde. »Weil er so überflüssig ist wie ein fünftes Evangelium«, erwiderte grimmig der Gefragte, und die andern stimmten lebhaft zu.
    Unter der Tür mittlerweile, im Beisein des Ministerpräsidenten, glitt der Chefredakteur Sonntag um den Reindl herum, wollte aus ihm noch schnell ein paar Direktiven fischen. »Haben Sie meinen letzten Leitartikel über die Wahrhaft Deutschen gelesen, Herr Baron?« befliß er sich. »Lieber Sonntag«, sagte liebenswürdig lächelnd der Reindl, »machen Sie, was Sie wollen. Aber wenn Sie es falsch machen, fliegen Sie.« Der Redakteur entschloß sich, es für einen Scherz zu nehmen, lächelte, trat zurück. Herr von Ditram, jetzt allein mit dem Reindl, nah an ihm, fragte den schon unter der TürStehenden: »Und was halten Sie von dem Dr. Hartl, Baron? Ein scharmanter Herr, nicht?« – »Ja«, sagte kühl der Reindl, »zuweilen ganz unterhaltsam.« – »Falls die Krankheit des Dr. Klenk anhalten sollte, wen hielten Sie für einen geeigneten Nachfolger?« Der Reindl schaute bedächtig, fast gelangweilt durch den Raum. »Zum Beispiel den Senatspräsidenten Messerschmidt«, sagte er faul.
    Dann mit stillem Gesicht entfernte er sich. In seinem Rücken hörte er die joviale, eingebildete Stimme des Hartl, der nicht wußte, daß seine Kandidatur erledigt war, noch bevor er sie anmeldete. Nachdenklich, immer noch höflich und beflissen, schaute der Ministerpräsident dem Manne am Schalthebel nach, der gestürzt hatte den Hartl, der begnadigen wollte den Krüger, der verurteilt war von eben diesem Hartl, weil er Ärgernis gegeben hatte.
20
Von der Demut
    Die Tänzerin Olga

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